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2-2015

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Einkaufsführer Elektronik Produktion 2015 - Fachzeitschrift für Elektronik-Produktion - Fertigungstechnik, Materialien und Qualitätsmanagement

Beschichten/Lackieren/Vergießen Bild 5: Schematische Darstellung der Reaktion einer Hydroxyl-Gruppe (OH-Gruppe, grün) mit einem Carbonsäureanhydrid (blau) unter Halbesterbildung. Anschließend reagiert der Halbester mit einer Epoxid-Gruppe (rot) zu einem Diester. Bild 6: Umsetzung eines Isocyanats (rot) mit einem Alkohol (blau) zu einem Urethan. den. Aus diesem Grund müssen große Vergussvolumina in mehreren Arbeitsgängen vergossen werden, um eine Beschädigung empfindlicher elektronischer Bauteile zu vermeiden. Härter auf Basis von aliphatischen Aminen sind in der Regel niederviskose Flüssigkeiten. Cycloaliphatische Amine besitzen eine geringere Reaktivität gegenüber der Epoxid- Gruppe als aliphatische Amine, so dass Katalysatoren bzw. erhöhte Temperatur für eine vollständige Härtung notwendig sind. Gute Formulierungen härten allerdings bereits bei Raumtemperatur vollständig aus. Die erhaltenen Materialien zeichnen sich durch eine hohe Temperaturbeständigkeit und Zähigkeit aus. Zudem besitzen sie hohe Glasübergangstemperaturen, sind besonders lichtecht und witterungsbeständig. Die Härtung von Epoxidharzen mit Carbonsäureanhydriden kann nur in der Wärme durchgeführt werden, weswegen sie zu den heißhärtenden Systemen gehören. Chemisch gesehen reagiert während der Härtung eine Hydroxyl-Gruppe (OH-Gruppe) mit einem Carbonsäureanhydrid zu einem Halbester. In einem zweiten Schritt reagiert der Halbester mit einer Epoxid-Gruppe zu einem Di ester, siehe Bild 5. Zusätzlich finden eine Reihe weiterer Reaktionen statt, deren Betrachtung an dieser Stelle zu weit führt. Für eine optimale Aushärtung wird häufig ein langwieriges Temperaturprogramm (oft über mehrere Stunden und bei hoher Temperatur) angewandt. Als Folge sind die Bauteile einer relativ hohen thermischen Belastung während des Produktionsprozesses ausgesetzt, so dass im Vorfeld abgeklärt werden muss, ob das zu vergießende Bauteil dieser Belastung standhält. Die mit Carbonsäurederivaten ausgehärteten Epoxidharz-Systeme besitzen exzellente chemische, mechanische sowie elektrische Eigenschaften, eine hohe Härte sowie Glasübergangstemperatur und sind zudem hochtemperaturbeständig. Polyurethane [2,3,4,5] Unter der Stoffklasse der Polyurethane werden eine Vielzahl von Werkstoffen zusammengefasst, die unterschiedlichste Eigenschaften aufweisen. Der Name Polyurethan stammt von der Urethan-Gruppe, die durch Reaktion der Grundkomponenten entsteht, wobei ein Isocyanat mit einem Alkohol in einer Additionsreaktion zu einem Urethan umgesetzt wird, siehe Bild 6. Anmerkung: Eine Additionsreaktion ist eine Reaktion bei der sich zwei Moleküle zu einem Produkt vereinen. Die Bildung der Urethan- Gruppe ist in der Wärme reversibel, so dass bei Materialien aus Polyurethan bei hohen Temperaturen Depolymerisation, also die Rückreaktion, auftritt. Durch intelligente Formulierung kann diesem Phänomen effektiv entgegengewirkt werden, so dass Polyurethansysteme existieren, die bei hohen Temperaturen stabil sind. Bei keiner anderen Stoffklasse lassen sich die Eigenschaften so stark variieren und maßschneiden wie bei den Polyurethanen. So sind beispielsweise Systeme von hart bis weich-elastisch, von schnell bis langsam härtend oder von wasserdünn bis pastös bekannt. Durch die Verwendung von verschiedensten Polyolen, Isocyanaten, Additiven, Füllstoffen und Katalysatoren sind mit den Polyurethanen „Kunststoffe nach Maß“ Wirklichkeit geworden. Eingesetzt werden sie nicht nur als Vergussmassen sondern auch als Elastomere für unterschiedlichste Anwendungen, Beschichtungen, Kleber, Lacke, Schäume und vieles mehr. Ein weiterer Grund für ihre weite industrielle Verbreitung liegt darin, dass alle Produkte (Elastomere, Formkörper, Schäume) aus flüssigen Edukten herstellbar sind und somit eine gute Prozessierbarkeit gewährleistet ist. Wie bei den Epoxidharzen ist es wichtig, dass die Funktionalität der beteiligten Komponenten mindestens zwei beträgt, damit ein Material mit den hier beschrieben Eigenschaften erhalten wird. Eine weitere wichtige chemische Reaktion der Isocyanat-Gruppe ist deren Reaktion mit Wasser, wobei gasförmiges Kohlenstoffdioxid (CO 2 ) und ein Amin entsteht, siehe Bild 7. Aus diesem Grund ist bei dem Verguss von Polyurethanen insbesondere bei massiven Bauteilen darauf zu achten, dass unter möglichst wasserfreien Bedingungen gearbeitet wird, um ein optimales, blasenfreies Vergussergebnis zu erzielen. Durch den Zusatz von wasseradsorbierenden Füllstoffen, den Zeolithen, kann Restfeuchte aus den verwendeten Reagenzien gebunden werden, wodurch ein blasenfreier Verguss resultiert und somit die Anwendung erleichtert wird. Allerdings ist die Wasseraufnahmekapazität von Zeolithen begrenzt. Geöffnete Gebinde sollten deswegen nach Möglichkeit aufgebraucht oder die Entnahme von Teilmengen sollte unter wasserfreier Atmosphäre erfolgen. Gezielt ausnutzen lässt sich die Wasser-Isocyanat Reaktion bei der Herstellung von Schäumen. In diesem Fall fungiert das CO 2 als Treibgas und das entstehende Amin bildet durch Reaktion mit weiteren Isocyanat-Gruppen ein polymeres Netzwerk auf Basis von Polyharnstoff aus, siehe Bild 7. Polyharnstoffe werden auch zur Klasse der Polyurethane gezählt, obwohl sie chemische betrachtet keine Urethan-Gruppe besitzen. Ebenfalls wird die Wasser- Isocyanat Reaktion bei feuchtig- 16 2/2015

Beschichten/Lackieren/Vergießen Bild 7: Oben: Darstellung der Reaktion von einem Isocyanat (rot) mit Wasser (blau) zu einem Amin und Kohlenstoffdioxid (CO 2 , gasförmig). Unten: Darstellung der Reaktion zwischen einem Isocyanat (rot) und einem Amin (blau) zu einem Harnstoff. [R bzw. R‘ bezeichnet organische Reste.] keitsvernetzenden 1K-Polyurethanformulieren zur Härtung ausgenutzt, deren Anwendung allerdings auf dünne Schichten beschränkt ist. Im Bereich der Vergussmassen, insbesondere bei hohen Schichtdicken, sind 2K-Polyurethansysteme Standard. Die hohe Vielfalt der Polyurethane wird primär durch die Polyol-Komponente, die als Harz bezeichnet wird, erreicht. Polyole sind selbst Polymere mit unterschiedlichen Kettenlängen und Molekulargewichten. Bei Raumtemperatur sind sie meistens flüssig und besitzen je nach Typ eine unterschiedliche Anzahl an Hydroxyl-Gruppen bzw. OH-Gruppen (in der Regel 2 bis 3). Die technisch verwendeten Polyole basieren hauptsächlich auf Polyethern und Polyestern allerdings mit einem deutlich geringeren Anteil. Verbreitet sind ebenfalls Polyether/ Polyester Mischsysteme. Auf Grund des hohen Molekulargewichts bzw. des hohen Anteils der Polyole an dem Gießharz tragen sie entscheidend zu den Endeigenschaften des ausgehärteten Formkörpers bei. Die verwendete Kettenlänge der Polyole beeinflusst beispielsweise die Härte des ausgehärteten Formkörper. So liefern kurzkettige, starre Polyole eher harte Formkörper und langkettige, flexible Polyole eher weiche, elastische Formkörper. Polyetherpolyole werden gebildet durch Kettenverlängerung eines mehrwertigen Alkohol (Starter) mit Ethylenoxid (EO), Propylenoxid (PO) oder EO/ PO-Mischungen und sind bei Raumtemperatur häufig niederviskose Flüssigkeiten. Typische Starter sind Ethylenglykol, 1,2-Propandiol, Glycerin, Sorbit, Bisphenol A oder Trimethylolpropan. Die Eigenschaften der Polyetherpolyole sind abhängig von deren chemischen Struktur. So zeigen EO-terminierte Polyole, auf Grund der primären OH-Gruppe, eine deutlich höhere Reaktivität als PO-terminierte (sekundäre OH-Gruppe). Ebenfalls wird die Hydrophobie durch die Verwendung von EO bzw. PO beeinflusst. PO-basierte Polyole sind deutlich hydrophober und werden bevorzugt im Gießharzbereich eingesetzt, da die ausgehärteten Vergussmassen eine geringere Wasseraufnahme besitzen. Mit Polyetherpolyolen ausgehärtete Formteile weisen eine gute Hydrolysebeständigkeit auf (auch im alkalischen Milieu) und durch geeignete Formulierungen lassen sich niedrige Glasübergangstemperaturen realisieren, welche sich häufig positiv auf die Kälteflexibilität auswirken. Auf Grund der Ether-Bindung sind Polyertherpolyol gehärtete Polyurethane relativ empfindlich gegenüber Oxidation, insbesondere bei erhöhter Temperatur. Polyesterpolyole entstehen durch Polykondensation von Dicarbonsäure mit einem Dibzw. Triol. Wichtigste Dicarbonsäure ist die Adipinsäure, welche bevorzugt mit Ethylenglykol oder 1,2-Propandiol in einer Kondensationsreaktion umgesetzt wird. Anmerkung: Als Kondensation wird eine Reaktion bezeichnet, in der zwei Moleküle zu einem Produkt unter Abspaltung eines Nebenproduktes reagieren. Polyesterpolyole sind bei Raumtemperatur meist hoch viskose Flüssigkeiten und zum Teil sogar Feststoffe. Auf Grund der Esterbindung sind Polyesterpolyole empfindlicher gegenüber Hydrolyse als Polyetherpolyole, allerdings auch hydrophober, welches der Hydrolyseempfindlichkeit entgegenwirkt. Die Hydrophobie nimmt mit steigender Kettenlänge zu, so dass im ausgehärteten Zustand Hydrolyse kein Problem darstellt. Ausgehärtete Vergussmassen auf Basis von Polyester neigen bei tiefen Temperaturen zur Verhärtung und Versprödung. Auf der anderen Seiten sind sie deutlich beständiger gegenüber Licht, thermischer Alterung und oxidativer Prozesse als Materialien auf Basis von Polyetherpolyolen. Ein natürlich vorkommendes Polyesterpolyol, das Rizinusöl, verdient eine besondere Erwähnung, da es vielfach in der Gießharzherstellung Einsatz findet. Rizinusöl ist das einzige in der Natur vorkommende Öl, das ohne vorherige chemische Behandlung Hydroxyl-Gruppen besitzt. Die Gewinnung von Rizinusöl ist weniger energieintensiv als bei petrochemischen Produkten, wodurch die Verwendung von Rizinusöl im Gießharzbereich ökologisch vorteilhaft ist.[6] Darüber hinaus werden auch Polybutadienpolyole und Hybridsysteme aus den oben genannten Komponenten eingesetzt. Erstere finden beispielsweise Anwendung, wenn hohe Anforderungen an die Kälteflexibilität des Materials gestellt werden. Als Härter werden für Polyurethane hauptsächliche aromatische (Poly bzw. Di-) Isocyanate auf Basis von Methylendiphenyldiisocyanat (MDI) und dessen Homologe eingesetzt. Aromatische Isocyanate zeigen eine höhere Reaktivität gegenüber der Polyol-Komponente als aliphatische und die erhaltenen Materialien besitzen in der Regel bessere mechanische Eigenschaften. Aliphatische und cycloaliphate Isocyanate werden häufig dort eingesetzt, wo eine besonders hohe Licht- und Wetterstabilität sowie Transparenz gefordert wird, zum Beispiel bei Beschichtungsmaterialien für den Außenbereich. Darüber hinaus kommen als Härter sogenannte Präpolymere zum Einsatz. Ein Präpolymer Bild 8: Grundstruktur von Silikonen. R bezeichnet organische Reste. 2/2015 17

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