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2-2017

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Fachzeitschrift für Medizintechnik-Produktion, Entwicklung, Distribution und Qualitätsmanagement

Produktion

Produktion 3D-Metalldruck verbessert die Kraniomaxillofazial-Chirurgie Bild 1: Schema eines kraniomaxillofazialen Schädelimplantats Bildquelle 1-3: Karl Leibinger Medizintechnik Bildquelle 4-6: Concept Laser GmbH Auf den Kopf kommt es an – und auf das Gesicht. Über nichts identifizieren wir uns mehr mit uns selbst als über das Gesicht. Wir sind, wie wir uns sehen. Außerdem sind mit dem Sehen, Hören, Riechen, Schmecken vier unserer fünf Sinne am Kopf und im Gesicht verortet. Schwere kraniomaxillofaziale Traumata oder Missbildungen gefährden nicht nur die Funktionen unserer Sinne. Sie haben oft auch psychosoziale Folgen. Die Betroffenen leiden dann nicht nur an funktionalen Störungen, insofern sie nicht richtig essen, schmecken, schlucken oder sprechen können. Sie werden oft auch von ihrem Umfeld abgelehnt. Die kraniomaxillofaziale Chirurgie ist ein Verfahren, derartige Verletzungen und Missbildungen durch Distraktion und Osteosynthese zu korrigieren. Implantate in der kraniomaxillofazialen Chirurgie Der Name Karl Leibinger Medizintechnik steht seit 1979 für Implantate in der kraniomaxillofazialen Chirurgie. Die Karl Leibinger Medizintechnik ist ein Unternehmen der KLS Martin-Gruppe. Ab 2000 kamen resorbierbare Implantate hinzu. Die jüngste Entwicklung sind patientenspezifische Individual-Implantate zur Korrektur durch Distraktion und Osteosynthese bei Traumata oder Missbildungen. Zunächst konventionell hergestellt, werden diese Implantate seit 2013 nun auch additiv hergestellt. Die Basis bildet das Laserschmelzverfahren LaserCUSING von Concept Laser, deren M2 cusing-Anlage bei Karl Leibinger Medizintechnik zum Einsatz kommt. Dahinter verbirgt sich ein einfacher Grundansatz, der das Zeug hat, die Chirurgie zu verändern: Patientenindividuell statt Standardlösung. Zur Herstellung patientenspezifischer Implantate setzt Frank Reinauer, Leiter Innovation und Produktion Biomaterialien der Karl Leibinger Medizintechnik, nun konsequent auf additiv hergestellte Implantate. Distraktionsosteogenese und Titan-Osteosynthese Die Distraktionsosteogenese geht auf den russischen Chirurgen Gavril Ilizarov zurück, der sie erstmals in den 1950er-Jahren in Russland einsetzte. In der Distraktionsosteogenese geht es um die Verlängerung von Knochen. Manchmal „vergisst“ ein Knochen zu wachsen. Durch die Distraktion wird der Knochen wieder an das Wachstum „erinnert“. Er wird angeregt, den genetisch vorgegebenen „Bauplan“ zu erfüllen. Aus diesem Grund genügt z.B. bei der pädiat- Aspekte additiv gefertigter, patientenindividueller Implantate aus Titan • Geometriefreiheit und Passgenauigkeit wirken auf Funktionalität und Ästhetik ein • großflächige, komplexe Strukturen sind möglich • definierbare Rand- und Oberflächenbeschaffenheit sorgen für gutes Einwachsen • zeitnahe, werkzeuglose Fertigung und schnelle Prozesskette • hohe Reproduzierbarkeit • Titan ist biokompatibel und zeichnet sich durch eine hohe Festigkeit aus • Titan ist dehnbar, korrosions- und temperaturbeständig • sichere und schnelle OP • schnellere Patientengenesung • letztendlich Entlastung des Gesundheitssystems Bild 2: Hohe Passgenauigkeit: Additiv gefertigtes, kraniomaxillofaziales, patientenindividuelles Implantat 14 meditronic-journal 2/2017

Produktion Bild 3: Bauplatte mit kraniomaxillofazialen, patientenindividuellen Implantaten, additiv hergestellt auf einer M2 cusing von Concept Laser rischen Behandlung von Kraniosynostosen meist eine einmalige Operation, um den sich verknöchernden Schädel zu öffnen und zu distrahieren, damit das Gehirn den Raum erhält, den es für sein Wachstum braucht. Ende der 1980er-Jahre wurde das Verfahren auch im Westen bekannt. Es ist heute aus der klinischen Praxis der CMF-Chirurgie nicht mehr wegzudenken. Die Distraktionsosteogenese ist in vielen Fällen das Verfahren der Wahl. KLS Martin hat mit zahlreichen innovativen Distraktionssystemen zur weltweiten Etablierung dieser Technik in den Operationssälen der kraniomaxillofazialen Chirurgie beigetragen. Es gibt kaum eine Problemstellung, die das Unternehmen nicht mit einem eigens dafür konzipierten Distraktor lösen kann. Distraktion wird meistens im Mittelgesicht und am Kiefer durchgeführt. KLS Martin ist einer der weltweit führenden Anbieter für vieles, was für Operationen in der CMF-Chirurgie unabdingbar ist – von Platten, Meshes, Schrauben, Pins, Distraktoren, patientenspezifischen Implantaten bis hin zu Lasern, HF-Geräten, OP-Leuchten und Sterilisationscontainern. Das zweite Stichwort lautet Titan- Osteosynthese. Es geht darum, dem Knochen eine neue Stabilität zu schenken. Den Impuls für die zukunftsweisende Entwicklung meditronic-journal 2/2017 im Bereich der Osteosynthese gab Professor Maxime Champy. Dank seiner revolutionären Überlegungen in Bezug auf die Biomechanik des Gesichtsschädels ist KLS Martin heute einer der weltweit führenden Spezialisten auf diesem Gebiet. Speziell in der orthognathen und rekonstruktiven Chirurgie müssen sich Ärzte heutzutage ständig neuen Herausforderungen stellen. Ein hohes Maß an Ehrgeiz und Weitblick in Kombination mit langjähriger Erfahrung ist deshalb das A und O, um passende Lösungen zu entwickeln. Mithilfe modernster Fertigungstechnologien und der perfekten Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Anwendern wird das Unternehmen diesen hohen Anforderungen gerecht. Patientenindividuell statt Standardlösung Grundsätzlich entscheidet sich ein Chirurg heute für drei Arten von Kraniomaxillofazial-Implantaten: Kunststoffimplantate, z.B. aus Polyetheretherketon (PEEK), tiefgezogene Bleche, Titan Mesh, Titan Solid und jetzt auch additiv hergestellte Titanimplantate. Aufgrund seiner hervorragenden Biokompatibilität und seiner hohen Korrosionsbeständigkeit hat der Werkstoff Titan immens an Bedeutung gewonnen und hat sich im medizinischen Bereich erfolgreich als Material der Wahl etabliert. Anders als PEEK, fördert Titan die Osseointegration und ist daher das perfekte Material für Implantate in Kombination mit Gitterstrukturen, welche additiv hergestellt werden. Titanimplantate werden je nach Indikation als Mesh oder als hochfeste Rekonstruktionsvariante Solid ebenfalls individuell entwickelt und konventionell gefertigt. Da lag der Gedanke nahe, warum konventionell fertigen, wenn es auch additiv möglich wäre? Frank Reinauer erläutert: „Natürlich haben wir die additive Seite schon lange im Auge gehabt. Aber wir hatten auch sehr genaue Vorstellungen, was auf der Anlagenseite nötig wäre. Nach der ersten Dekade von 3D-Metalldruck schien der Zeitpunkt zum Einstieg gekommen zu sein.“ Zunächst galt es jedoch, die Hürde der Investition in AM (Additive Manufacturing) zu überwinden. „Wenn man rein betriebswirtschaftlich entscheidet, dann scheut man das Risiko und sagt sich, lass das mal die Anderen versuchen. Bei uns jedoch als inhabergeführtes Unternehmen, erkannte die Geschäftsführung schnell, welche zukünftigen Möglichkeiten auf uns warteten. Sie entschied den Einstieg strategisch, und das war goldrichtig. So kauften wir unsere erste Laserschmelzanlage 2013 bei Concept Laser.“ Diese Entscheidung als Abwägung zwischen Innovationsfreude und Risikoabschätzung erwies sich als fruchtbar. Die komplexen Bauteilanforderungen für medizinische Implantate, auch vor dem Hintergrund sehr aufwendiger Vorschriften und Regularien, führten sehr schnell zu einer Amortisation der AM- Anlage. Die Zeitersparnis einer werkzeuglosen Fertigung ist vor dem Hintergrund des Zeitdrucks bis zu einer OP auch nicht zu unterschätzen. Vor allem aber war die strategische Entscheidung ein wichtiger Impuls, denn ein patientenindividuelles, additiv gefertigtes Titanimplantat ist ein gewaltiger Schritt für die klinische Praxis. Die zunehmende und weltweite Verbreitung dieser Implantate zeigt sich auch in der Tatsache, dass diese mittlerweile ein nennenswerter Umsatzträger des Unternehmens sind. Einstieg in das Additive Manufacturing mit Metallen Beim Einstieg in den 3D-Metalldruck, so Frank Reinauer, galt es, erste Hürden in der Prozessvalidierung zu überwinden: „Rund ein Dreivierteljahr brauchten wir in dieser Vorlaufphase, denn die Vorschriften und Rahmenbedingungen in der Medizintechnik sind äußerst penibel.“ Zunächst muss Bild 4: Concept Laser hat bei der Verarbeitung von reaktiven Materialien in puncto Sicherheit und durch ein kontaminationsfreies Konzept Maßstäbe in AM gesetzt 15

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