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4-2013

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Fachzeitschrift für Elektronik-Produktion - Fertigungstechnik, Materialien und Qualitätsmanagement

Aktuelles MES und

Aktuelles MES und Industrie 4.0 - die nächste industrielle Revolution? Bild 1: Integrationsmöglichkeiten Lagerlogistik Die Elektronik-Industrie - nicht nur in Deutschland - besteht schon heute aus einer teilweise hochautomatisierten Systemlandschaft, die sich aus wirtschaftlichen Gründen und auch in Folge der europäischen Gesetzgebungen zunehmend weiter vernetzt. Hierzu tragen die bereits vielfach installierten Traceability-Systeme als Ausgangspunkt maßgeblich bei und werden nun in einem weiteren Schritt zu leistungsfähigen MES-Systemlösungen ausgebaut. Festzustellen ist, dass die erzielte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der eingesetzten MES-Systeme meist weit hinter dem tatsächlich möglichen Rationalisierungspotential zurückbleibt. Zugespitzt formuliert, ist dies oft der Tatsache geschuldet, dass eingeführte MES-Systeme „nur“ der Präsentation gegenüber Kunden und Auditoren, also der Außendarstellung dienen. Dokumentieren lässt sich diese Aussage z.B. an der Tatsache, dass die papierlose Fertigung noch immer ein Wunschkind ist, obwohl automatisierte Lösungen als „Abfallprodukt“ mit Traceability- bzw. MES- Systemen längst komplett realisierbar sind. Anwendungsbeispiele zeigen die Möglichkeiten und die Rationalisierungseffekte auf: abp Automationssysteme hat bereits vor sechs Jahren eine Elektronikfertigung im Rahmen einer Traceability-Lösung komplett auf eine elektronisch vernetzte Basis umgestellt und das Papier aus der Produktion entfernt. Diese Investition hat sich für den Kunden zu einem beträchtlichen Teil auch über den Vorteil der papierlosen Fertigung amortisiert. Die Vernetzung von Produktionssystemen ist also nicht neu! Neu ist vor allem die Diskussion darüber und die Einführung eines weiteren neuen Begriffes. Auch die internationale Vernetzung zum Informationsaustausch über Werke und Kontinente hinweg ist keine neue Vision, sondern seit Jahren in vielen international tätigen Unternehmen durchgeführte Praxis. Was ändert sich jetzt und wo werden Vorteile generiert? Hier mischen sich nun zunächst globale Wünsche und Erfordernisse in die Diskussion, Schlagworte wie Cloud-basierte Systeme und die weitere Nutzung des „Internets der Dinge und Dienstleistungen“ seien hier nur als Beispiele genannt. Sicher sind dies interessante Ansätze und Möglichkeiten, dennoch zeigen gerade die aktuellen Diskussionen und Erkenntnisse, dass hier auch sehr viele Sicherheitsrisiken angelegt sind, zu deren Absicherung es derzeit noch kaum eine befriedigende Antwort gibt. Deshalb ist davon auszugehen, dass viele Produzenten eher wieder ihre eigene Infrastruktur vorziehen bzw. ausbauen und nur das weltweit übermitteln, was absolut notwendig und nicht wirklich vermeidbar ist. Manche Kunden schlagen hier einen sehr rigiden Sicherheitskurs ein. Die aktuelle Betriebs- und Angriffssicherheit bei Lösungen über öffentliche Netze erfordert neue integrierte Sicherheitsarchitekturen und entsprechend sichere Identitätsnachweise. Ob und wie die hochsensiblen Firmendaten im Rahmen der angestrebten horizontalen und vertikalen Vernetzung vor Missbrauch geschützt werden können, wird die Zukunft zeigen. Aus unserer Sicht und aus der Sicht vieler Kunden wird sich in den nächsten Jahren Industrie 4.0 vor allem in der innerbetrieblichen Informationsstruktur auswirken. Dies ist auch sinnvoll, wenn man sich heute im Rahmen von Beratungsprojekten aktuelle Produktionen anschaut und diese mit Blick auf wirtschaftliche Potentiale analysiert. In den hochautomatisierten Fertigungslinien laufen viele Prozesse bereits mehr oder weniger überwacht ab. Zusätzlich unterstützen integrierte Prüfsysteme die Fertigungsprozesse und schaffen mehr Transparenz. Selten aber werden mögliche Rückkopplungen im direkten Fertigungsprozess genutzt. Hier werden dann sicher auch die wirklich innovativen Weiterentwicklungen für Industrie 4.0 und Smart Factory ansetzen müssen, um langfristig zu selbst steuernden Prozessen zu gelangen. Dies ist ein wichtiger Punkt für Fabrik der Zukunft. Für logistische Prozessabfolgen ist vieles heute bereits möglich, für Bearbeitungsprozesse und deren Parameter fehlen aber nach wie vor viele wissenschaftliche Zusammenhänge, um automatisch in die Parametersteuerung eingreifen zu können: z.B. um Druckparameter automatisch einstellen oder nachregeln zu können. Außerhalb hochautomatisierter Linien aber wird vielfach noch genauso gearbeitet, „wie man es schon immer gewohnt ist“. Hier helfen viele „selbstgestrickte“ manuelle Lösungen auf Basis von Excel usw. Zudem werden zahlreiche Arbeitsschritte noch per Hand ausgeführt, obwohl es inzwischen interessante kostengünstige und damit wirtschaftlichere und vor allem sicherere Lösungen gibt. Die kommunikative Vernetzung aller industriellen Prozesse ist in den meisten Betrieben grundsätzlich verbesserungswürdig und stellt schon längst kein technisches Problem mehr dar, auch wenn das Grundproblem einer sogenannten Standard-Schnittstelle bis heute nicht geklärt ist. Bislang gibt es, wenn überhaupt, nur „Standards“ auf Anbieterebene, kaum aber globale. Trotz vieler Versuche in den vergangenen Jahren ist es hier nie zu einer wirklichen standardisierten Lösung gekommen. Alle uns bekannten Fertigungssysteme, die in der Elektronik-Industrie verwendet werden, verfügen über kommunikative Anbindungsmöglichkeiten, 38 4/2013

Aktuelles wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. abp Automationssysteme hat im Rahmen ihrer Entwicklungen die Systeme von weit über 80 Herstellern in Traceability- und MES-Systeme integriert. Festzustellen bleibt, dass eine „Standardisierung“ sicher hilfreich wäre, trotzdem konnten alle bisherigen Aufgabenstellungen auch ohne Standards mit einer sehr hohen Informationsdichte realisiert werden. Eine hohe Informationsdichte ist dann auch gleichbedeutend mit der Möglichkeit einer intelligenten Nutzung dieser Informationen zur Prozessführung, Prozesssteuerung und Prozessplanung (Feinplanung) sowie einer Rückverfolgbarkeit mit hohem Sicherheitsgrad. Smart Factory, die Lösung? Diese Vorgehensweise der Vernetzung und Nutzung der gewonnenen Informationen umschließt das Thema MES- System und wird nun weitergeführt in den neuen Begriff der Smart Factory. Ein neuer Begriff für eine konsequent genutzte Traceability? Letztendlich geht es bei Smart Factory um eine Produktionslogik, bei der alle Produkte jederzeit identifizierbar sind, jederzeit bekannt ist, wo sie sich befinden und was mit ihnen in der Entstehungsgeschichte bereits geschehen ist. Ist das schon alles? Nein! Es geht auch darum, eine vollständige Verfolgbarkeit der Fertigungsprozesse und deren Abläufe zu erhalten und zeitnah auf Basis aktueller Zustandsdaten reagieren zu können. Ein Anspruch, der so neu nicht ist, gibt es doch schon seit einigen Jahren interessante Lösungen und auch Anwendung dazu. Transparente Produktion nur erreichbar mit Industrie 4.0? Eine durchgängig transparente Produktion gibt nicht nur Transparenz in Bezug auf den Zustand der Produkte, sondern auch auf die eingesetzten Kapazitäten und Betriebsmittel. Klare Kenntnis zum aktuellen Zustand der Fertigung lässt schnelle Reaktionen und optimierte Planungen zu, auch bei sich plötzlich ändernden Eingangsbedingungen wie z.B. bei Maschinenausfällen, kurzfristigen Sonderaufträgen oder geänderten Liefersituationen. Eine hochflexible Fertigung, die diesen Anforderungen entspricht, ist gleichzeitig auch unabhängig von den zu fertigenden Losgrößen! Einzelstücke und individuelle Kundenwünsche können ebenso im gleichen Umfang bearbeitet werden wie mittlere oder größere Auftragsvolumina. Fiktion? Nein, auch dies ist in bereits realisierten Projekten lange im Produktionsalltag etabliert. Beispiel einer modernen Smart- Factory-Lösung Bild 2: Mögliche Einsparpotentiale Stellvertretend für diverse andere Themenbereiche wird der Bereich der Materiallogistik aufgegriffen und ein Beispiel für eine moderne Smart- Factory-Lösung vorgestellt. Ziel der Entwicklung war, den manuellen Aufwand und die Unsicherheiten in der Materialverwendung auf ein absolutes Minimum zu reduzieren und die Mitarbeiter von Suchaufwand und nicht produktiven Tätigkeiten zu entlasten. Zudem sollen immer nur die Bauelemente zum Einsatz gelangen, die tatsächlich benötigt werden und die für die Verarbeitung auf dem aktuellen Produkt zugelassen sind. Weitere Bedingung war die Sicherstellung der kompletten Rückverfolgbarkeit - vom Wareneingang bis zum Einbauort auf der Leiterplatte - und weiter bis zum fertigen Endgerät und der Lieferung zum Kunden. Konzentrieren wir uns auf den Bereich vom Wareneingang bis zur Bestückung. Da bis heute keine Standardisierung der Herstellerdaten erfolgt ist, welche auf den Gebinden angebracht sind, müssen im Wareneingang neben den allgemeinen Buchungsvorgängen und den Freigabeoptionen auch die Hersteller-Gebindedaten erfasst und eine eigene eindeutige Gebinde-ID vergeben werden. Diese Gebinde-ID wird mittels Etikett auf dem Gebinde angebracht. Alternativ hat abp funktionsfähige Lösungen evaluiert, bei denen anstelle von Etiketten ein elektronischer RFID Schreib-/ Lesespeicher verwendet wird (TAG). Die so erfassten Gebindedaten werden in eine Gebinde- Datenbank übernommen und zentral verwaltet. Für die automatische Erfassung der Herstellerdaten gibt es ansatzweise Lösungen, die aber nur in Teilbereichen wirklich funktionieren. Hier gelangt man sehr schnell (wirtschaftlich) an die Grenzen der heutigen Bildverarbeitung, insbesondere dann, wenn die zu erkennenden Objekte nicht ausgerichtet sind und zudem noch eine Klarschrifterkennung gefordert ist. Alle bisher beschriebenen Prozessschritte erfolgen in einer kommunikativen Anbindung des Smart-Factory-Systems an die führenden ERP-Systeme, wie z.B. SAP. Von hier gelangen die Bauteilgebinde üblicherweise in die vorgesehen Lagersysteme. Diese können vielseitig sein. Hauptlager, Canban- Lager, Vor-Ort-Lager an der Maschine, Trockenschränke, Rücktrockenschränke, Dry Pack- Beutel, Kühlstationen usw. Bislang bedeutet jeder Lagerprozess manuelles Handling mit allen dazu nötigen Nebenaktivitäten: Bereitstellung von Unterlagen, Abarbeitung nach Papierliste, abzeichnen der erfolgten Lagervorgänge, Entnahmen, Umlagerungen, Suchaufwand für fehlende Teile und vieles mehr. Gemeinsam mit einem Anlagenhersteller und mehreren Anwendern haben wir in einem Verbundprojekt ein Logistik- Konzept für die Elektronik-Fertigung realisiert, welches vom Wareneingang bis zum Verarbeitungsort die Bauteilgebinde in nur einem Lagerprozess zeitnah und in Rüstreihenfolge direkt an den Verarbeitungsort, z.B. die Bestückungsanlage oder den Rüstplatz, transportiert und auch eine entsprechende Rücklagerung ermöglicht. Im Lagerkonzept sind zudem alle notwendigen Temperaturbereiche realisiert, die für die Trockenlagerung und/ oder die Rücktrocknung der Floor Life Time von MSL-Bauelementen erforderlich sind. Die übergeordnete Warehouse-Management-Software übernimmt dabei eigenständig alle Überwachungs-, Steuerungs- und Umlagerungsprozesse für das Gebindehandling und berechnet aus den Klimadaten, die über Sensoren ständig überwacht werden, zyklisch den aktuellen MSL-Zustand der Gebinde. So entsteht eine lückenlose Überwachung feuchteempfindlicher Bauelemente. Auch nach der Auslagerung aus dem Lagersystem werden diese Bauelemente weiter überwacht und mit Ablauf der MSL-Zeiten oder des Verfallsdatums ggf. in der Produktion gesperrt. Zusätzlich verfügt die Software auch über eine intelli- 4/2013 39

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