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4-2017

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Fachzeitschrift für Medizintechnik-Produktion, Entwicklung, Distribution und Qualitätsmanagement

Aus Forschung und

Aus Forschung und Technik Funktionsgruppenansicht Chirurgie-Arbeitsplatz ler. Dadurch wird die bisherige „Fußschalterorgel“ im OP ersetzt. Es entstehen keine Wartezeiten während der OP durch zusätzliches Suchen des Fußschalters oder Positionieren des Fußschalters auf einem Beistell-Fußtritt. Häufig im OP eingesetzte Beistell-Fußtritte werden zudem zukünftig höhenverstellbar sein und durch die Vernetzung ihre Höhe automatisiert an die OP- Tisch Höhe anpassen können. So kann eine ergonomische Haltung und sicheres Handling für den Chirurgen gewährleistet werden, wenn z. B. bei Blutdruckabfall eine Verstellung des OP-Tisches durch den Anästhesisten erfolgen muss. Fehlende Kompatibilität Die Schnittstellen von Medizinprodukten sind nicht offen, sondern meist proprietär, die Vernetzung bzw. der Datenaustausch ist meist nur zwischen Produkten eines Herstellers untereinander oder bestimmten Herstellern möglich und auch das oft nur sehr eingeschränkt. Ein weiteres Problem stellen die funktionale Sicherheit und der Schutz der sensiblen Daten dar. Gleichzeitig bergen aufeinander nicht abgestimmte Medizinprodukte erhebliche Fehlbedienungsrisiken und Software potentiell relevante Informationen bleiben ungenutzt. Damit verbunden ist die Problematik des Risikomanagements, da die Klinikbetreiber in der Verantwortung sind, wenn diese Medizinprodukte in „Eigenherstellung“ untereinander vernetzen. Durch den hohen Umfang der Standarddokumente sind einfach zu bedienende Software- Bibliotheken zur Nutzung durch den Hersteller unumgänglich. Daher wurden im OR.NET-Projekt quelloffene Software-Bibliotheken erstellt, mit denen Hersteller leichter ihre bisherige Software anpassen können, um standardkonform zu werden. Die Software-Bibliotheken bieten eine übersichtliche Programmierschnittstelle für Medizingeräte-Teilnehmer an, um andere Geräte aufzufinden, Daten im OP-Netzwerk anzubieten oder von anderen Geräten zu konsumieren und folgt damit der bereits zuvor erwähnten Service-Orientierten Architektur. Die Bibliotheken gibt es mittlerweile für alle gängigen Hochsprachen (C++, Java und .NET). Die weitere Pflege der Bibliotheken übernimmt die Arbeitsgruppe „Software Stacks“ im OR.NET e.V. Dabei steht sie in ständigem Kontakt mit Medizingeräte-Herstellern um deren Anforderungen mit zu berücksichtigen, sowie um Support bei der Verwendung zu geben. Ein weiteres Ziel ist ebenfalls der enge Austausch mit den Standardisierungsarbeiten, da neue Revisionen wieder in den Softwarelebenszyklus mit einfließen müssen. OR.NET Diese Probleme wurden im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Leuchtturmprojektes OR.NET und in den aktuell laufenden Projekten ZiMT (EFRE/ EU) und MoVE (BMBF) adressiert. Grundlegende Konzepte für die sichere und offene Vernetzung von Medizinprodukten im OP werden hier im Gesamtkontext klinischer IT-Systeme zusammengeführt und standardisiert. Neben der technischen Entwicklung werden auch die Aspekte der zukünftigen Zulassung als Medizinprodukt, der Betriebstauglichkeit im Alltag eines Krankenhauses, sowie der internationalen Standardisierung durch Normungsgremien berücksichtigt. Der OR.NET-Ansatz bietet im Operationssaal der Zukunft insbesondere eine Optimierung des gesamten Workflows für das OP- Team sowie eine bessere Kommunikation und Interaktion mit den Schnittstellen zur Klinik-IT. Herstellerunabhängige Vernetzung Die Basis für herstellerunabhängige Vernetzung von Medizingeräten untereinander und zur Krankenhaus-IT bildet die semantische Interoperabilität. Diese kommt sowohl Patienten, als auch OP-Team und Klinikbetreibern zugute. Nehmen wir beispielsweise an, dass die aktuellen Vitalparameter des Patienten angezeigt und genutzt werden sollen. So könnte ein Pulsoxymeter etwa den Messwert 70 zur Verfügung stellen. Ein anzeigendes Gerät würde diesen aufnehmen und den Akteuren in geeigneter Form präsentieren. Repräsentiert der Wert 70 die Herzfrequenz geht es dem Patienten in aller Regel gut. Verbirgt sich hinter diesem Wert hingegen die Sauerstoffsättigung stellt diese zumeist einen sehr kritischen Zustand des Patienten dar. Es ist also von entscheidender Bedeutung neben dem Wert eines Messwertes auch dessen Semantik zu kennen. Daher werden jeder im Netzwerk bereitgestellten Informationen spezifische Codes aus sogenannten Coding-Systemen zugeordnet, die eine eindeutige Interpretierbarkeit gewährleisten. Zusätzlich wird auch die Einheit von Messwerten definiert. So ist es beispielsweise für Drücke wichtig zu wissen, ob sie in 22 meditronic-journal 4/2017

Aus Forschung und Technik Acknowledgement Pa, bar, psi, mmHg, etc. angegeben sind. Eine umfassende und eindeutige Selbstbeschreibung von Medizingeräten ist also eine Grundvoraussetzung für eine sichere Vernetzung. Da Medizingeräte oft sehr viel komplexer sind als ein Pulsoxymeter, das nur eine geringe Anzahl an Messwerten und Parametern aufweist, erfolgt die Selbstbeschreibung in der strukturierten Form eines sogenannten Containment-Trees. Ebenso sind die Interaktionsmöglichkeiten, mittels sogenannter Services, zwischen den Medizingeräten definiert. Ein Medizingerät kann Informationen beispielsweise zum lesenden Zugriff nach dem Abruf- und/oder Abonnementprinzip bereitstellen, aber auch eine Fernsteuerung zuzulassen, falls dies sinnvoll und unter den Gesichtspunkten des Risikomanagements möglich ist. Kernziele nach dem OR.NET-Standard • Eine standardisierte Interoperabilität für alle Medizingeräte und IT-Systeme. Die Betreiber können unabhängig von der Koppelung der Medizingeräte ihre Kaufentscheidung treffen und somit zur freien Marktentwicklung beitragen. • Sichere Medizinprodukte bzw. Lösungen und Produkte mit denen die Medizinprodukte ohne Zusatzaufwand in die Krankenhaus-Netze integriert werden können. • Sichere Bedienung durch eine Optimierung der Mensch- Maschinen-Interaktion. • Zulassung des einzelnen Medizinproduktes durch definierte Standards. Zulassung der vernetzten Systeme erfolgt damit implizit. • Flexibler Betrieb vernetzter modularer, herstellerunabhängiger Systeme mit einem in der Herstellung umsetzbaren Risikomanagement. Zulassung mit Simulations-/Testverfahren Die vorgestellten Arbeiten wurden aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) - ZiMT Projekt und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) - Projekte: OR.NET und MoVE gefördet. Statements Anwender (Prof. Dr. med. Hans Clusmann, Direktor der Klinik für Neurochirurgie, Uniklinik RWTH Aachen): „Als verantwortlicher Operateur wünsche ich mir die Bedienung und Kontrolle wichtiger Geräte aus meinem sterilen Bereich, möglichst einfach und zentral: am besten mit Geräten, die optimal zu unserem OP passen und nicht nur zu vorhandenen proprietären Systemen. Ich habe die Hoffnung, dass dies beim geplanten Neubau unseres Zentral-OPs bereits umgesetzt werden kann.” Statement Hersteller (SurgiTAIX AG): „Die Industrie hat enorme Vorteile in der Entwicklung und Vermarktung von Geräten mit offenen Standards für die Vernetzung. SurgiTAIX bietet bereits heute die Integration der OR.NET Standards in bestehende und Die herstellerunabhängige offene Vernetzung von Medizingeräten stellte anfangs eine völlig neue Situation dar und warf zu Beginn u. a. juristische Fragen der Zulassungsfähigkeit auf. Hierbei mussten der Usability-Engineering Prozess nach DIN EN ISO 60601-1-6 und das Risikomanagement nach DIN EN ISO 14971 (technisch sowie human-zentriert) berücksichtigt sowie die Methodik der Validierung vernetzter Softwarekomponenten überarbeitet werden. Ziel war es, eine technisch realisierbare und juristische eindeutig abgeklärte modulare Gesamtzulassungsstrategie für den Hersteller zu finden. Zudem mussten Verfahren und Werkzeuge zur Unterstützung des Zulassungs- und Betriebsprozesses für Hersteller und Betreiber entwickelt werden. Das Anbieten neuer Funktionalitäten bei der offenen Vernetzung bedeutet im Rahmen des Zulassungsprozesses unter Umständen das Einhalten neuer Anforderungen durch eine Einstufung in eine andere (höhere) Risikoklasse. So führt etwa das Steuern eines Gerätes dazu, dass das steuernde Gerät in die Risikoklasse des gesteuerten Gerätes einzuordnen ist. Hersteller und Betreiber können zukünftig Risikound Usability-Analysen der Einzelkomponenten modular in eine Gesamtrisiko- und Usability-Bewertung einbeziehen. Hierfür wurden erweiterte Geräteprofile und Testverfahren entwickelt, die den Zulassungsprozess modularer Systeme unterstützen. Um die erweiterten Geräteprofile prüfen zu können, muss der Hersteller zukünftig Konformitätstests durch eine unabhängige Institution, Interoperabilitätstests (Connectathons oder Testen gegen einen Simulator) und Integrationstests (Validierung im Testlabor) durchführen. Die Evaluation der neu entwickelten Zulassungsstrategien bestätigt bisher, dass der derzeit verfolgte Lösungsansatz erfolgversprechend ist. meditronic-journal 4/2017 23

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