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4-2018

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Fachzeitschrift für Elektronik-Produktion - Fertigungstechnik, Materialien und Qualitätsmanagement

Dienstleistung

Dienstleistung Langzeitkonservierung und -lagerung elektronischer Komponenten – Risiken und Lösungen Autor: Dipl. Ing. (TU) Holger Krumme, HTV Halbleiter Test & Vertriebs- GmbH, Managing-Director – Technical Operations HTV Halbleiter-Test & Vertriebs- GmbH info@HTV-GmbH.de www.HTV-GmbH.de Die mangelnde Verfügbarkeit elektronischer aber auch mechanischer Komponenten durch Abkündigungen und Produktionsstopp seitens der Hersteller („Obsoleszenz“) ist insbesondere für die Produzenten von langlebigen Produkten eine enorme Herausforderung. Durch die aktuell steigende Anzahl von Zusammenschlüssen großer Halbleiterhersteller werden immer mehr unrentable oder redundante Produktlinien kurzfristig eingestellt, was die Problematik der Abkündigungen noch weiter verschärft. Bestimmte Endprodukte können möglicherweise nicht mehr gefertigt oder repariert werden, da die notwendigen Bauteile oder Komponenten nicht mehr verfügbar sind. Insbesondere lange Entwicklungszeiten und langwierige Zulassungsverfahren im Medizinbereich haben zur Folge, dass die verbauten einzelnen Elektronikkomponenten manchmal bereits zur Markteinführung der Geräte „veraltet“ bzw. nicht mehr beschaffbar sind und durch andere, „neuere“ Komponenten ersetzt wurden. Dies bedeutet, selbst zur Versorgung der Serienfertigung sind bei fehlenden Gegenmaßnahmen die notwendigen und zugelassenen Komponenten nicht mehr verfügbar! Ein Redesign der Elektronikbaugruppen kommt in der Regel aufgrund des damit verbundenen Aufwandes und der dann fälligen Neuzulassung nicht in Frage. Mithilfe einer Langzeitlagerung kritischer Bauteile als Bestandteil eines strategischen Obsoleszenzmanagements (OM) können Gerätehersteller jedoch bereits vor dem Eintritt von Abkündigungen die lückenlose Bauteilversorgung mit qualitativ hochwertiger Ware über den gesamten Produktlebenszyklus sicherstellen. Wichtige Ersatzkomponenten, insbesondere für langlebige Produkte und Investitionsgüter mit langer Nutzungsdauer, sollten rechtzeitig eingelagert werden, um jegliche Gefahr einer mangelnden Verfügbarkeit für die Serie oder von Ersatzteilen auszuschließen. Dies ist insbesondere aus Gründen der Ökologie und Ressourceneffizienz ein entscheidender Faktor. Doch selbst der Weg der Einlagerung benötigter Teile birgt nicht zu unterschätzende Risiken, da 30 4/2018

Dienstleistung Bild 1: Beispiele für Alterungsprozesse an elektronischen Komponenten (links: Zinnpest an Pins, rechts: korrodierte Lötkontakte) nur ein qualifiziertes, speziell auf die Komponente zugeschnittenes Lagerungskonzept die Funktionalität und Verarbeitbarkeit nach einer Lagerungszeit von mehreren Jahren oder Jahrzehnten sicherstellt. Risiken bei der Langzeitlagerung elektronischer Komponenten Zur Beurteilung der Risiken für die Langzeitlagerung muss in einem ersten Schritt im Vorfeld der aktuelle Gesamtzustand der zu lagernden Komponenten erfasst werden. Dabei ist zu ermitteln, ob die Bauteile mechanisch und elektrisch einwandfrei sind und welche Risiken während der Lagerung zu erwarten sind, bzw. ob die Komponenten überhaupt für eine Lagerung geeignet sind. Verschiedenste Alterungsprozesse können bereits bei normaler Lagerung aber auch unter Stickstoffatmosphäre (Stickstoff-Dry- Pack) innerhalb von zwei Jahren die Funktionalität (z. B. durch Datenund Kapazitätsverluste, Leckströme) und Verarbeitbarkeit (z. B. im Löt- oder Crimp-Prozess) elektronischer Komponenten maßgeblich beeinträchtigen (Bild 1). Wesentliche Alterungsprozesse sind: • Diffusionsprozesse (Anschlüsse und Halbleiterchip) • Alterung durch Feuchte und O 2 (Korrosion und Oxidation) • Alterung durch Schadstoffe • Whiskerbildung • Zinnpest Diffusionsprozesse Die Diffusion ist eine der schwerwiegendsten und wesentlichsten Materialveränderungen, die zur Bild 2: Diffusionsprozesse am Beispiel des intermetallischen Phasenwachstums an Bauteilanschlüssen. Alterung elektronischer Bauteile beiträgt. Sie ist ein physikalischer Prozess, bei dem sich zwei oder mehrere Stoffe zunehmend vermischen. Die Diffusion beruht auf der thermisch motivierten Eigenbewegung von Teilchen (Atome, Ladungsträger oder Moleküle). Ist die Verteilung dieser Teilchen ungleichmäßig, dann bewegen sich mehr Teilchen aus den Gebieten mit hoher Konzentration in Gebiete mit niedriger Konzentration als umgekehrt. Es werden also aufgrund der Wärmebewegung Konzentrationsunterschiede bis zur vollständigen Durchmischung (bzw. Ausgleich) abgebaut. Diffusion an Bauteilanschlüssen Diffundiert zum Beispiel bei Anschlusspins elektronischer Bauteile das Trägermaterial Kupfer oder Kupfereisen in das Zinn der Oberflächenbeschichtung, dann entsteht ein ganz neues Material das bronzeähnlich ist (intermetallische Phase) (Bild 2). Diese Materialwanderung ist temperaturinduziert und führt zu einem Wachstum der intermetallischen Phase bei Raumtemperatur von ca. 1 µm/Jahr. Gelangt diese Durchmischung bis an die Oberfläche, ist ein Verlöten nicht mehr möglich, denn intermetallische Kupfer-Zinn-Phasen weisen Schmelzpunkte von über 400 °C auf, die bei typischen Lötprozesstemperaturen von 240 °C bis 280 °C nicht mehr aufgeschmolzen werden können. Das Zinn verbindet sich nicht mehr mit dem Kupfer des Pin-Trägermaterials; die Lotkontaktstelle ist damit löttechnisch nicht mehr zu aktivieren (Bild 3). Es besteht das Risiko sogenannter „kalter“ Lötstellen. Derartig gealterte Bauteile können nicht mehr in bestehende elektronische Schaltungen eingesetzt werden! Hintergrund: Durch das Verbot der Verwendung von Blei in vielen Bereichen der Elektronik und der damit einhergehenden Umstellung auf bleifreie Lötoberflächen wurde die Dicke der Zinn-Oberflächenbeschichtungen von Bauteilkontakten seit 2003 von etwa 8 - 20 µm auf aktuell ca. 4 - 8 µm reduziert, auf Nickel-Diffusionssperren wird meistens verzichtet. Durch ein intermetallisches Phasenwachstum von bis zu 1 µm/Jahr bei Raumtemperatur, kann eine Diffusion von Kupfer an die Oberfläche somit bereits nach 1 bis 2 Jahren erfolgt sein, wenn man berücksichtigt, dass zusätzlich beim Lötprozess eine „Reserve“ von ca. 1 µm benötigt wird. Hersteller geben daher ihren Bauteilen oft nur Lötbarkeitsgarantien von maximal 1 Jahr, selten für zwei oder mehr (Bild 4). Bild 3: Darstellung der Diffusion von Kupfer (rotes Signal, rechte Schicht) in die Zinnschicht (grünes Signal, linke Schicht) mittels REM- EDX-Linescan. 4/2018 31

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