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4-2020

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Fachzeitschrift für Medizintechnik-Produktion, Entwicklung, Distribution und Qualitätsmanagement

Aus Forschung und

Aus Forschung und Technik Fortschritte bei der Erfassung und Analyse von Biosignalen für EEG Neue Elektrodentechnologie und KI-Analysen lösen Herausforderungen in der neurologischen Notfall-, Akutund Intensivmedizin Autor: Andreas Wagner, Mitglied des Management-Teams der DACH-Region für Bittium Bittium www.bittium.com Laut der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) hat sich die neurologische Notfall medizin, neben Chirurgie und Innerer Medizin, zum drittwichtigsten Gebiet in der Krankenhausnotaufnahme entwickelt. So erleiden nach Angaben der DGN allein in Deutschland rund 260.000 Menschen jährlich einen Schlaganfall. Aber auch epi leptische Anfälle, Hirnblutungen oder Schädel-Hirn- Traumata gehören zu den neurologischen Not fällen, mit denen sich Rettungssanitäter und medizinisches Personal in Notaufnahmen und Kliniken regelmäßig konfrontiert sehen. Entscheidend für die Behandlung, und um bleibende Gesundheitsschäden bei den Patienten zu verhindern, ist eine schnelle sowie präzise Erfassung und Auswertung der Hirnsignale. Dies geschieht üblicherweise mittels der Elektroenzephalographie (EEG), was jedoch gerade in der Notfall- und Akutmedizin bisher mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen verbunden ist. Medizintechnik-Spezialist Bittium fasst die wichtigsten Problembereiche zusammen und erklärt, wie das Zusammenspiel fortschrittlicher Elektroden aus dem Bereich Wearables und Mobiltechnologie mit Analyse funktionen auf Basis künstlicher Intelligenz (KI) zur Lösung dieser Herausforderungen beiträgt. Die Situation bei neurologischen Notfällen sieht heute in der Regel folgendermaßen aus: ein Rettungswagen wird gerufen und Rettungssanitäter oder Notarzt erkennen beispielsweise, dass es sich um einen epileptischen Anfall handeln könnte. Wenn der Muskelkrampf nicht nach wenigen Minuten von selbst aufgehört hat, müssen sie entkrampfende Mittel spritzen, da längere Anfälle lebensgefährlich sein können. Der Nachteil dieses Vorgehens ist jedoch, dass bei der Ankunft in der Klinik eine für die Folgebehandlung wichtige Diagnose des Anfalls mittels EEG nicht mehr möglich ist. Für Patienten mit nicht konvulsivem Status epilepticus ist ein EEG sogar noch wichtiger, da ein Anfall das Gehirn nach 30 Minuten irreversibel schädigt und der Patient meist nicht mit Antikonvulsiva behandelt wird, da Muskelkontraktionen fehlen. Eine sofortige EEG-Untersuchung wäre daher für viele Szenarien ein entscheidender Vorteil. Dies ist bisher jedoch bei Rettungseinsätzen und oftmals auch in der Notaufnahme problematisch. Zeitaufwändiges und kompliziertes Anbringen der EEG-Elektroden Die größte Herausforderung, um besonders in der Notfall- und Akut medizin zügig ein EEG vornehmen zu können, ist das Anlegen der Elektroden. Bei herkömmlichen medizinischen EEG-Geräten werden 20 oder mehr Elektroden über den gesamten Kopf des Patienten verteilt angebracht. Die Elektroden müssen dabei hundertprozentig synchron verteilt sein. Gibt es beispielsweise Abweichungen bei der Positionierung der rechts und links angebrachten Elektroden, kann dies die Werte der EEG- Aufzeichnungen verfälschen. Eine geübte EEG-MTA (Medizinisch- Technische Assistenz) benötigt für 10 meditronic-journal 4/2020

Aus Forschung und Technik chungen und erneute Vorfälle feststellen zu können. Da die Patienten meist sediert sind, würde niemand einen erneuten Anfall wahrnehmen, außer jemand schaut genau in diesem Moment auf die EEG-Kurven. Eine solche Problematik ist in der Notfall- und Intensivmedizin natürlich besonders prekär. Aber auch für nicht lebensbedrohliche EEG- Anwendungen, bei denen EEG-Aufzeichnungen über einen längeren Zeitraum vorgenommen werden sollen, ist dieses Thema relevant. Zu diesen Anwendungsgebieten gehören u. a. Migräne, unter denen rund 15 Prozent der Bevölkerung leidet, sowie Schlafstörungen. das Anbringen der Elektroden in der Regel rund 20 Minuten. Eine erste Erleichterung brachten EEG-Kappen, in die die Elektroden bereits eingearbeitet sind. Allerdings müssen auch diese zunächst mit speziellem Gel präpariert werden. Danach muss der Sitz jedes Kontaktes überprüft werden. Besonders im Bereich des Kopfhaars muss dieses bei jeder Elektrode zur Seite geschoben werden, damit ausreichend Hautkontakt besteht. Daher setzt diese Methode ebenfalls speziell geschultes Personal voraus und dauert auch dann rund 10 Minuten. Zeit und Wissen Aus diesem Grund ergeben sich zwei Probleme: einmal der Zeitfaktor, der in der Notfallmedizin eine entscheidende Rolle spielt, und auf der anderen Seite die Notwendigkeit, jederzeit Zugriff auf speziell geschultes Fachpersonal zu haben. Natürlich kann aber nicht jeder Rettungswagen mit Fachkräften für alle möglichen medizinischen Vorfälle und Diagnosegeräte ausgestattet sein. Auch in der Notaufnahme sind üblicherweise nicht rund um die Uhr EEG-MTAs und Neurologen vor Ort. Neue Generation von Elektroden Die Lösung für diese Proble matik verspricht nun eine neue Generation von Elektroden mit Technologie aus dem Bereich der Wearables. Dabei kann eine geringere Anzahl von Elektroden, die nur im frontalen Bereich des Kopfes angebracht wird, präzise EEG-Signale liefern. Die Elektroden werden darüber hinaus bei neuesten Versionen mobiler EEGs nicht einzeln angebracht, sondern sind in einem Band fixiert, sodass die exakte Positionierung bereits vorgegeben ist. Die Vorteile sind offensichtlich – das Anbringen kann nicht nur wesentlich schneller erfolgen, es ist zudem so unkompliziert, dass auch Sanitäter und Notfall personal ohne spezielle Ausbildung ein EEG ableiten kann. Behinderung bei der Behandlung Ein weiterer Nachteil bisheriger EEG-Elektroden war deren komplexe Verkabelung die gerade in der Notfallmedizin die Behandlung behinderte. In der Notaufnahme müssen häufig mehrere Ärzte und Fachkräfte den Patienten gleichzeitig behandeln. Ein EEG-System mit herkömmlichen Elektroden, die über Kabel mit einem Monitor verbunden sind, ist dabei sehr störend. Für Rettungskräfte und den Krankentransport ist ein solches System noch viel weniger geeignet. Bei der neuen, durch Wearables beeinflussten Generation mobiler EEG- Systeme wird das Elektrodenband direkt mit einem sehr kompakten Sender verbunden, der die Signale drahtlos auf einem Monitor dargestellt, dadurch ist die Beweglichkeit des Patienten nicht beeinträchtigt. Diese Übertragung stellt eine hohe Signalqualität sicher und ermöglicht auch Langzeit-EEG-Messungen Komplexe Datenauswertung Auch die Auswertung der EEG- Daten war bisher sehr aufwändig. In der Regel werden EEG-Aufzeichnungen visuell überwacht. Die Auswertung der aufgezeichneten Messwerte war bisher nur durch geschulte Spezialisten möglich. Aber auch für diese war der Zeitaufwand für die Auswertung hoch. Die Spezialisten können selten über einen langen Zeitraum neben dem Patienten sitzen, um die Aufzeichnungen live anzusehen. Bei der retrospektiven Auswertung mussten jedoch große Mengen an Aufzeichnungen durchgeschaut werden, um Abwei- Künstliche Intelligenz Die neueste Generation von EEG- Systemen begegnet dieser Herausforderung durch die Verwendung künstlicher Intelligenz. Nach langjähriger Forschung ist es gelungen, intelligente Algorithmen zur Analyse der EEG-Aufzeichnungen zu nutzen. Dies kann zwar keine Neurologen oder geschulte MTAs ersetzen, entlastet jedoch das medizinische Personal enorm bei der Patientenbetreuung. Die KI-Funktionen zur intelligenten Auswertung der EEG-Aufzeichnungen erstellen eine Übersicht der einzelnen aufgezeichneten Mess-Zyklen und werten Trends aus. Anhand bestimmter Werte sieht das medizinische Personal sofort, ob alle Werte im „grünen Bereich“ sind oder ob es beispielsweise vor kurzem einen erneuten Vorfall gab. Liegen die Werte außerhalb der Norm, kann sofort der zustän- meditronic-journal 4/2020 11

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