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5-2019

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Fachzeitschrift für Industrielle Automation, Mess-, Steuer- und Regeltechnik

Software/Tools/Kits

Software/Tools/Kits Installation neuer Mess-, Regel- und Steuerungstechnik im Eiltempo Fortschritt durch Stillstand Mineraloelraffinerie Oberrhein (MiRO) in Karlsruhe ist Deutschlands größte Raffinerie (Quelle: MiRO) Autorin: Dipl.-Betriebsw. (FH) Evelyn Landgraf, Marketing bei der Rösberg Engineering GmbH info.ka@roesberg.com www.roesberg.com www.livedok.com Stillstand in Deutschlands größter Raffinerie ist teuer und dennoch für wiederkehrende TÜV-Prüfungen notwendig: Alle drei Jahre steht bei der Mineraloelraffinerie Oberrhein (MiRO) in Karlsruhe zur turnusmäßigen Großinspektion einer der zwei Werkteile für circa fünf Wochen still. In dieser Zeit werden auch wichtige Anlagenänderungen durchgeführt, die bei laufendem Anlagenbetrieb nicht möglich wären. So herrscht während des Produktionsstillstandes emsige Geschäftigkeit auf dem MiRO-Gelände, denn fünf Wochen sind für größere Anlagenveränderungen alles andere als üppig. Zuverlässige Planung, gute Vorbereitung und hohe Flexibilität während der Umsetzungsphase selbst werden von den an den Änderungen beteiligten Unternehmen gefordert. Der Tausch der Coke Drums ist dafür ein gutes Beispiel. Im Coker der Mineraloelraffinerie Oberrhein werden schwere Rückstände aus der Rohöldestillation weiterverarbeitet (gecrackt) und dabei leichtere Produkte wie Benzin und Diesel gewonnen. Bei diesem Prozess fällt zudem Koks als Nebenprodukt an. Die Coke Drums (zylinderförmige Behälter von über 30 Meter Höhe), in denen diese Prozesse ablaufen, waren seit 35 Jahren im Einsatz und dabei beachtlichen Belastungen ausgesetzt: Alle 16 Stunden wird einer der Behälter aus Spezialstahl auf bis zu 490 °C erhitzt und anschließend wieder abgekühlt (Bild 1). Diese extremen Temperaturschwankungen fordern dem Material einiges ab. Um weiterhin eine zuverlässige Produktion zu gewährleisten, mussten die Coke Drums daher Anfang 2018 ausgewechselt werden. Hierfür nutzte die Raffinerie den zur regelmäßigen TÜV-Prüfung geplanten Stillstand. Mehr als mechanischer Tausch Allein der mechanische Tausch der Kokskammern ist eine Herausforderung. Antransportiert per Schiff über den an Werkteil 1 angrenzenden Rhein, wurden die 400 Tonnen schweren Stahlzylinder mit einem speziellen Kran in ihre endgültige Position im Coker Stahlgerüst gebracht und mit Bolzen und Muttern fixiert. Danach folgte der elektrische Anschluss und die Installation der MSR-Technik (Mess-, Steuer- und Regelungstechnik - Bild 2). Die Planung dieser anspruchsvollen Aufgabe (Elektrotechnik und MSR Technik) übernahmen die Automatisierungsexperten von Rösberg. Das Unternehmen unterhält ein eigenes Büro auf dem Werksgelände der Raffinerie. Die dort ansässigen Mitarbeiter unterstützen im Rahmen ihrer Projekttätigkeit dabei, dass die MSR-Technik der Anlage zuverlässig läuft, helfen aber auch bei komplexen Neu- oder Umbauten. Dipl.- Ing. Adnan Basic ist Lead Engineer Process Automation bei Rösberg und war in diesem Fall für die Projektleitung zuständig. Er erläutert die wesentlichen Herausforderungen: „In einer Bestandsanlage derart komplexe Änderungen vorzunehmen ist alles andere als einfach. Zudem ist die Sicherheitssteuerung, die wir erweitert haben, sehr komplex, da viele Verriegelungen ineinandergreifen. Und schließlich muss ein Großteil der Arbeiten in einem zeitlich sehr begrenzten Rahmen stattfinden. Von den sechs Wochen blieben uns nur etwa zwei, da wir zuerst die Montage abwarten mussten, ehe wir das Zusammenspiel von Feldgeräten, Leit- und Steuerungstechnik testen konnten. Akribische Planung Die Planung für das komplexe Projekt begann deshalb gleich nach der Projektvergabe Mitte 2016. Und zwar die Planung der Demontage ebenso wie die der Neumontage. Zugute kam den Automatisierungsexperten, dass die MiRO bereits seit Jahren mit den PLT-CAE-System ProDOK von Rösberg arbeitet. So konnten sie für die Elektro- und MSR- Planung ihr hauseigenes Tool nutzen, das bei Anlagen-Neuplanungen einen integrierten Planungsprozess nach einheitlichen Regeln ermöglicht, angefangen von der Basisund Funktionsplanung bis hin zur Ausführungs- und Montageplanung. Darüber hinaus unterstützt das Tool aber auch den weiteren Betrieb also auch bei Änderungsund Ergänzungsplanung sowie der Betriebsbetreuung. Mit diesen guten Planungsvoraussetzungen und den umfangreichen Dokumentationsunterlagen ließ sich gut vorbereitet die eigentliche Umrüstung angehen. Alles, was vorab vorbereitet werden konnte, wurde natürlich bereits erledigt und so das extrem kurze Zeitfenster wirklich nur für die vor Ort notwendigen Maßnahmen genutzt. Sicherheitssteuerung erweitern Aber nicht nur die Hardware musste gut geplant und korrekt einge- 52 PC & Industrie 5/2019

Software/Tools/Kits Bild 1: Der mechanische Tausch der Coke-Drums ist eine herausfordernde Aufgabe. (Quelle: MiRO) baut werden. Damit Hardware im laufenden Betrieb auch das tut, was sie soll, ist die richtige Steuerungstechnik notwendig. Im Zuge des Coker- Tauschs wollten die Anlagenbetreiber zur Prozessoptimierung einige verfahrenstechnische Änderungen vornehmen. Das erforderte zusätzliche Armaturen und damit auch einen weiteren Steuerungsschrank mit den dafür notwendigen E/A-Steckplätzen. Somit war auch eine Anpassung der vorhandenen Sicherheitssteuerung an die neuen Anforderungen notwendig. B.Eng. Sascha Wippert, Automation Engineer Process Automation bei Rösberg, war für diese Anpassung federführend. Er berichtet: „2012 haben wir bereits mit Hilfe einer HIMA-Sicherheitssteuerung ein Interlock-System, also ein Verriegelungs- und Freigabekonzept der eingesetzten Armaturen, implementiert. Jetzt galt es diese Steuerung an die neuen Abläufe und die dafür notwendigen Armaturen anzupassen.“ Mit Simulation zum Erfolg Weil die Inbetriebnahme der Steuerungssoftware erst nach vollständiger Montage des neuen Cokers, aller Elektroleitungen und Armaturen usw. starten konnte, war die Zeit hierfür äußerst knapp. Damit dabei dennoch alles reibungslos verläuft, wurde die Software vorab umfangreich in einer Simulation getestet. Allein die Simulation der Feldebene zu implementieren war ein umfangreiches Projekt. Wippert erinnert sich: „Nachdem in der Planungsphase alle verfahrenstechnischen Anpassungswünsche festgelegt waren, erhielten wir das Lastenheft für die Steuerungssoftware und konnten verhältnismäßig früh mit der Entwicklung starten. So waren wir bereits im Oktober 2017 so weit, dass die neue Software umfangreich in der Simulation getestet werden konnte.“ Während eines siebentägigen Funktionstests in der Anlagensimulation haben die Automatisierungsexperten zusammen mit etlichen Anlagenbedienern die Reaktion der Anlage auf verschiedenste Eingabeparameter untersucht. Mit den Erkenntnissen aus den Tests wurde dann die Steuerungssoftware entsprechend angepasst. Damit ließen sich viele Probleme bei der tatsächlichen Inbetriebnahme bereits im Vorfeld vermeiden. Während der Umstellung selbst mussten die Software- Entwickler dann Flexibilität zeigen. Wippert berichtet: „Da viele Abläufe komplett neu entwickelt wurden, war die Inbetriebnahme natürlich eine spannende Zeit. In den letzten zehn Tagen waren immer mein Kollege oder ich vor Ort, um rund um die Uhr notwendige Unterstützung leisten und bei Bedarf Anpassungen an der Software vornehmen zu können. Dabei ging es aber nicht um grundsätzliche Änderungen an den Schrittketten beispielsweise, sondern meist darum, einzelne Prozessparameter nachzujustieren.“ Zwei Fliegen mit einer Klappe Die aufwändig entwickelte Simulation ermöglichte aber nicht nur die reibungslose Inbetriebnahme, sondern auch den sicheren Betrieb vom ersten Tag an. Denn mit ihr konnten die Mitarbeiter bereits vor der Inbetriebnahme geschult werden. Dass die letzten Maßnahmen vor Ort und die Inbetriebnahme selbst so gut klappten, hatte neben der guten Planung und der Simulation auch damit zu tun, dass die auf dem Betriebsgelände arbeitenden Rösberg-Mitarbeiter die Anlage und ihre Prozesse sehr gut kennen. Projekte dieser Komplexität können sie jedoch nicht alleine stemmen. Hier ist es vorteilhaft, dass sie ihre Kollegen aus anderen Standorten hinzuziehen können. Dabei geht es nur vordergründig um die nötige Manpower. Vor allem wird es dadurch möglich, ein schlagkräftiges Team zusammenzustellen, das die für das jeweilige Projekt notwendigen Qualifikationen mitbringt. Dazu gehören zum Beispiel Automatisierungsingenieure (Basic Planung), Detail Planer, Ingenieure für Steuerungssoftware (Siemens, HIMA), Junior Ingenieure als Unterstützung für die umfangreichen Testaktivitäten und vieles mehr. Das PLT-CAE-System ProDOK Moderne verfahrenstechnische Anlagen können nur dann effektiv betrieben werden, wenn die Daten aus der Planungsphase auch für Betrieb, Instandhaltung und Modernisierung verfügbar sind. Anlagenrealität (As-Built) und Dokumentation müssen verlässlich übereinstimmen. Nur wenn alle Daten konsistent sind, lassen sich kostspielige Neueingaben und unnötiger Engineering-Aufwand vermeiden. Genau hier setzt das PLT-CAE- System ProDOK an. Es sorgt für einen integrierten Planungsprozess nach einheitlichen Regeln. Da alle Daten in ein und demselben System gewonnen und ausgetauscht werden, gibt es keinen Ärger mehr mit lästigen Datenübertragungsfehlern. Die Funktionen umfassen Basis-, Funktions-, Ausführungs- und Montageplanung bei der Neuplanung, der Änderungs- und Ergänzungsplanung sowie der Betriebsbetreuung. Dabei wird der komplette Lebenszyklus einer Anlage unterstützt. Mit seiner durchgängigen und konsistenten Dokumentation sorgt ProDOK dafür, dass sich zu jedem Zeitpunkt die Anlagenrealität in der Dokumentation widerspiegelt. Spürbare Qualitäts- und Effizienzsteigerung und eine erhebliche Zeit- und Kostenersparnis sind die Folge. Investitionssicherheit ergibt sich durch die weite Verbreitung des Systems in der verfahrenstechnischen Industrie und aus dem Einsatz modernster Softwaretechnologie. ◄ Bild 2: Auch der elektrische Anschluss und der MSR-Technik ist äußerst anspruchsvoll (Quelle: Rösberg) PC & Industrie 5/2019 53

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