Produktion Smart Supply: Die Supply Chain der Zukunft Die vierte industrielle Revolution hat längst begonnen und macht auch vor der Medizintechnikbranche keinen Halt. Begriffe wie Industrie 4.0, Internet of Things, Digitalisierung und Dezentralisierung dominieren dabei den aktuellen Diskurs. Und nicht nur das Bundesministeriums für Bildung und Forschung priorisiert diese Entwicklung mit einem Förderschwerpunkt, auch auf der diesjährigen MedtecLIVE sollen Antworten auf die vielen Fragen gegeben werden, die Medizintechnikproduzenten und -zulieferer haben. Welche Chancen bietet die vernetzte, intelligente Fertigung für die Medizin? Wie ist der Reifegrad dieser neuen technologischen Möglichkeiten? Und: Werden die Möglichkeiten von Produzenten und Zulieferern genutzt? Alles smart Die Smarte Produktion, die Smarte Zulieferung und die entstehenden Smarten Produkte sind drei Themen, die sich wie ein roter Faden durch die Messe und den Fachkongress ziehen. Die Akteure sind sich einig: KI und Vernetzung sind die Schlüssel für eine intelligente und wirtschaftliche Produktion. Doch nicht nur die Produktion, auch die Zulieferer sollen laut Messe teilnehmern von Smart Manufacturing profitieren. Das Netzwerk aus Zulieferern und Produzenten kann durch eine smarte Verknüpfung von enormen wirtschaftlichen Vorteilen Gebrauch machen. Die Vorgaben der Medizinprodukteverordnung (MDR) begünstigen diesen Trend, wie u. a. Hans-Peter Bursig der Geschäftsführer des Fachverbands für Elektromedizinische Technik vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) erklärt. Potenziale nutzen Aber bei den Produktionsprozessen der mittelständisch geprägten deutschen Medizintechnik-Industrie steckt die Vernetzung von Maschi- MedtecLIVE www.medteclive.de 28 meditronic-journal 2/2020
Produktion nen, das Internet of Things noch in den Kinderschuhen. Und auch in der Logistik, wird noch nicht das volle Potenzial ausgeschöpft. Und das obwohl Smart Manufacturing umfassende Verbesserungen aller internen wie externen Prozesse möglich macht. Das weiß auch Jim Thompson, Senior Director Industry Strategy für die Medizintechnik und Pharmazeutik bei Siemens Digital Industries Software: „Intelligente Fertigung für die Medizinproduktebranche bietet Vorteile sowohl für Geschäftsziele wie Qualität und Effizienz, als auch für die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften“. Gerade die Zulieferer könnten von einer intelligenten Vernetzung profitieren. Klar ist mittlerweile, von den traditionellen Modellen der Zulieferung muss man sich früher oder später verabschieden, um den Bedürfnissen der Kunden sowie Produzenten gerecht zu werden. Smart Warehouses - Logistik der Zukunft Die Beziehung zwischen Zulieferern und Produzenten wird durch Smart Manufacturing erheblichen Veränderungen ausgesetzt sein. Immer mehr etablieren sich sogenannte Smart Warehouses – deren Vorteil liegt vor allem in der autonomen Intralogistik. Roboter wissen dank der Software genau, wo welches Produkt liegt und können ohne Umwege die Güter einsammeln. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird so Zeit gespart und mehr Lagerfläche kann generiert werden. Hybride Geschäftsmodelle profitieren ganz besonders von den Smart Warehouses und konnten sich durch diese erst richtig etablieren. Hybride Wertschöpfung zeichnet besonders die Flexibilität aus: Aus früher steifen und voneinander getrennten Prozessen werden agile, ineinandergreifende Abläufe, die auf die Bedürfnisse des Kunden angepasst werden können. So ist auch eine Individualisierung bestimmter Produkte bereits beim Logistiker denkbar – ohne weitere Produktionsanlagen. Das Dream-Team der Zukunft: Logistik und IT Es findet eine Dynamisierung von Produktions- und Logistikprozessen statt, ausgelöst durch digitale Datenkommunikation via Cloud Computing und dezentralen Steuerungsmechanismen. Wichtige Voraussetzung für diese Entwicklung sind die allgegenwärtigen Trendbegriffe Globalisierung, Digitalisierung, Individualisierung und Tertiarisierung. Um diesem Wandel und dem Bedarf nach Smart Warehouses gerecht zu werden, müssen gerade Zulieferer heute in neuen Mustern denken. Demand und Supply rücken zeitlich immer näher zusammen, IT und Logistik müssen deshalb gemeinsam arbeiten. Denn je lauter die Forderung nach mehr Individualisierung von Produkten, desto höher der Informations- und Material fluss, den es zu bewältigen gilt. Ohne langfristige und durchdachte Kooperationen dieser zwei Bereiche wird es schwierig sein, dem Bedarf gerecht zu werden. Digitalisierung ist notwendig Zulieferer müssen sich bewusstwerden, dass ein langfristiges Wachstum ohne technologischen Fortschritt nicht möglich ist. Die Digitalisierung aller internen Prozesse ist eine der wichtigsten Vorrausetzungen dafür. Die digitale Infrastruktur muss zudem vereinheitlicht werden, um eine effiziente Zusammenarbeit zu ermöglichen. Oftmals findet man noch viele Inselsysteme in einem Unternehmen, doch für die Zukunft und eine erfolgreiche Prozessautomatisierung müssen alle am gleichen Strang ziehen. Denn längst wünschen sich Kunden nicht nur die Lieferung eines Produktes, sondern wollen ihre Supply Chain optimieren. Dafür braucht es eine reibungslose Datenkommunikation und eine einfache Integration in Kundensysteme. Hersteller wie Lithoz aus Wien benötigen eine solche Infrastruktur für ihre Produktion: „Unsere Produktion basiert auf Patientendokumenten. Jeder Schritt kann einzeln dokumentiert werden und die Patientendaten werden für ein optimales und individuell angepasstes Produkt genutzt.“ Kodesign - Individualisierung per 3D-Druck Eine Facette der Herstellung von personalisierten Produkten nennt sich Kodesign. Gerade für die Medizintechnik kann dies einen großen Fortschritt bedeuten, denn das Kodesign nutzt 3D-Druck, um dezentral beispielsweise Ersatzteile, personalisierte Prothesen oder dentalmedizinische Komponenten herzustellen. Einigkeit besteht über den großen Nutzen des 3D-Drucks in der Medizintechnik: Es gibt im Idealfall kein wochenlanges Warten mehr auf die ersehnten Hilfsmittel für Mediziner und Patienten, sondern individuelle, schnelle und flexible Lösungen. Das 3D-Druckverfahren ist schon längst über den Punkt hinaus, nur Muster oder Prototypen anfertigen zu können. Im Gegensatz zum klassischen Produktionsverfahren, in dem normalerweise ein Teil aus einem Rohling herausgefräst wird, handelt es sich beim 3D-Druck um ein additives Verfahren, dass zum einen deutlich weniger Abfall hinterlässt und zum anderen einen hohen Individualisierungsgrad und eine Integration mehrerer Funktionen in einem Produkt möglich macht. Die Herstellung folgt in Zukunft den Bedürfnissen des Marktes und nicht mehr, wie vorher üblich, andersherum. Auch Jim Thompson betont die Vorteile der Kombination von 3D-Druck und Smart Manufacturing: „Eines der am häufigsten verwendeten personalisierten medizinischen Geräte sind patientenspezifische, 3D-gedruckte, chirurgische Schneidführungen, die für eine Vielzahl von chirurgischen Eingriffen verwendet werden. Die Oberfläche der Schneidführungen, die an der Anatomie des Patienten angepasst ist, wird mithilfe von CToder MRT-Scans geformt, die analysiert werden, um auf die einzigartige organische Oberflächenkontur eines jeden Patienten einzugehen.“ Vom CT-Scan zum personalisierten Implantat Während in der Zahnheilkunde auch früher schon vom Zahntechniker individuelle Brücken oder Kronen angefertigt wurden, überwiegt in der Mehrzahl der Medizinprodukte der Standard. Große Modell- und Größenvielfalt sorgen heute dafür, dass ein Medizinprodukt annähernd zum Patienten passt. Ob künstliches Hüftgelenk oder Fußprothese – Standardprodukte decken viele Bereiche ab, die Herstellung von individuellen Prothesen ist jedoch aufwändig und teuer. Eine Lösung dieses Zielkonflikts von Passgenauigkeit und Kosten kann Smart Manufacturing bieten. Bewährte Lösungen in der Zahnheilkunde In der Zahnheilkunde sind smarte Produktionsverfahren wie bereits erwähnt schon seit Jahren im Einsatz: Der Zahnarzt stellt Bilddaten zur Verfügung, im Laserschmelzverfahren wird dann ein Kronengerüst in wenigen Minuten gefertigt. Die Arbeit des Zahntechnikers wird deutlich erleichtert. „Die große Individualität bei den Produkten stellt dank Smart Manufacturing kein Problem für Produktion oder Logistik dar. Die Daten werden digital verschickt. Wir konzentrieren uns auf die Arbeit mit größeren Lieferanten, sodass wir klare Beschaffungsprozesse haben“, berichtet Alexandros Lagaris, Geschäftsführer der LAC Laser Add Center GmbH. Im Gegensatz zum Standard-Implantat, bei dem der Knochen an das Implantat angepasst werden muss, passt das personalisierte Implantat perfekt zur Anatomie des Patienten. PLM-Systeme – als zentrale Plattform der smarten Fertigung – unterstützen den Hersteller auch dabei, die regulatorischen Vorschriften einzuhalten und ihre Einhaltung zu dokumentieren. Wie Smart Manufacturing die Medizintechnik-Entwicklung und Produktion voranbringen kann, ist auch Thema des vom 30.06. - 02.07.2020 stattfindenden MedTech Summit Congress & Partnering, parallel zur MedtecLIVE. Smarte Fertigungsprozesse sorgen nicht nur für mehr Effizienz in Bezug auf finanzielle, materielle oder menschliche Ressourcen. Sie tragen auch zu einer nachhaltigeren Produktion und damit zu den Nachhaltigkeitszielen eines Unternehmens bei. ◄ meditronic-journal 2/2020 29
Die DNA von Metrofunk behält bei r
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