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3-2017

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Fachzeitschrift für Medizintechnik-Produktion, Entwicklung, Distribution und Qualitätsmanagement

Medical Devices

Medical Devices Regulation EU-Medizinprodukte-Verordnung: Last oder Chance für die Branche? Autor: Hans-Peter Bursig, Geschäftsführer des Fachverbands Elektromedizinische Technik im ZVEI Seit dem 26. Mai 2017 ist die neue Verordnung über Medizinprodukte in der Europäischen Union in Kraft. Die neue Verordnung ist allgemein unter ihrem englischen Namen „Medical Devices Regulation“ bzw. der Abkürzung „MDR“ bekannt. Die MDR hat eine Übergangsfrist von drei Jahren und wird ab dem 26. Mai 2020 die heute geltende Medizinprodukte-Richtlinie (MDD) bzw. das deutsche Medizinproduktegesetz (MPG) endgültig ersetzen. Nach langen Jahren der Beratung in Brüssel ist damit der zukünftige Rechtsrahmen klar, unter dem Hersteller von Medizinprodukten ihre Produkte in der EU in Verkehr bringen können. Aus Sicht der Branche ist es erfreulich, dass das Inverkehrbringen auch unter der MDR durch eine Konformitätsbewertung unter Beteiligung von unabhängigen Benannten Stellen geregelt bleibt. Die Hersteller können damit weiterhin auf die bewährten Prozesse für die CE-Kennzeichnung setzen. Die neuen Regelungen werden nicht mehr als Richtlinie der EU, sondern als Verordnung der EU umgesetzt. Damit entfällt die Umsetzung durch nationale Gesetze, wie das MPG in Deutschland. Der Inhalt der Verordnung ist direkt und unmittelbar in allen Ländern der EU anwendbar. Unterschiede bei der Anwendung soll es dadurch in Zukunft nicht mehr geben. Die wichtigsten Änderungen im Überblick Mit der neuen MDR kommen auf die Hersteller zahlreiche zusätzliche Pflichten und Prozesse zu. Alle Hersteller von Medizinprodukten beschäftigen sich deshalb intensiv mit dem Inhalt der Regelungen sowie den notwendigen Anpassungen im eigenen Unternehmen. Bereits jetzt ist absehbar, dass die MDR die Unternehmen vor große Herausforderungen stellen wird. Denn Änderungen gibt es praktisch auf allen Ebenen: • Die Technische Dokumentation der Produkte wird wesentlich umfangreicher und detaillierter und muss zukünftig auch Komponenten von Zulieferern genauer dokumentieren. • Die Klinische Bewertung gewinnt im Rahmen der Konformitätsbewertung an Bedeutung. Sie muss zukünftig die betrachteten Punkte stärker wissenschaftlich analysieren und bewerten. Eine reine Literaturbetrachtung ohne eigene Analyse wird in den meisten Fällen nicht mehr ausreichen. Bei Produkten der Klassen IIb und III sind wahrscheinlich eigene klinische Studien notwendig, um die benötigten Daten zu erheben. • Die Klassifizierungsregeln ändern sich an vielen Stellen. Viele Medizinprodukte werden sich in höheren Risikoklassen als bisher wiederfinden. Auch die Klassifizierung von Softwareprodukten, die Medizinprodukte sind, ändert sich stark. • Die Anforderungen an die Marktbeobachtung durch die Hersteller steigen deutlich. Viele Medizinprodukte werden zukünftig nach dem Inverkehrbringen engmaschiger durch den Hersteller überwacht werden müssen. Das kann auch eigene Studien zur Produktbeobachtung bedeuten. Damit sollen Gefahren für die Patienten früher als bisher erkannt werden. • Die Produktkennzeichnung wird durch einen „Unique Device Identifier“ (UDI) ergänzt. Dazu wird auch eine europäische Datenbank mit Namen EUDAMED aufgebaut. In der Folge müssen Hersteller ihre Prozesse und Abläufe teilweise massiv umbauen. Zusätzlich sind an vielen Stellen der Verordnung weitere Änderungen im Detail zu finden, welche die Hersteller jeweils einzeln prüfen müssen. Erschwert wird ihre Arbeit zusätzlich dadurch, dass zahlreiche Begriffe der MDR neu zu interpretieren sind und eine große Zahl von Rechtsakten zur Umsetzung erst noch erstellt werden müssen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat zur Anpassung der gesetzlichen Regelungen in Deutschland einen beratenden Arbeitskreis („Nationaler Arbeitskreis zur Implementierung“ - NAKI) ins Leben gerufen, an dem auch die Industrie beteiligt ist. Das BMG gibt den Herstellern mit diesem vorausschauenden Vorgehen eine wichtige Hilfe stellung. Denn die Übergangsfrist von drei Jahren ist knapp bemessen. Arbeit der Benannten Stellen und Übergangsfrist Alle Benannten Stellen müssen von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach neuen Regeln erneut für ihre Aufgabe akkreditiert werden. Das neue Verfahren zur Akkreditierung muss aber erst noch zwischen Europäischer Kommission und Mitgliedsstaaten vereinbart werden. Die Unternehmen können deshalb voraussichtlich erst Mitte 2018 damit beginnen, ihre Produkte einem erneuten Konformitätsbewertungsverfahren zu unterziehen. In den dann noch verbleibenden 24 Monaten wird es für die Hersteller nur unter großen Anstrengungen möglich sein, die internen Prozesse anzupassen und für alle in Europa auf dem Markt befindlichen Medizinprodukte eine erneute Konformitätsbewertung durchzuführen. 10 meditronic-journal 3/2017

Medical Devices Regulation Die Hersteller werden jedenfalls sehr genau prüfen, ob der steigende Aufwand für die Konformitätsbewertung für die gesamte Produktpalette dauerhaft wirtschaftlich zu vertreten ist. Hersteller sollten deshalb den Übergangsfristen für die Weitergeltung von Zertifikaten auf Basis der heute geltenden Medical Devices Directive (MDD) besondere Aufmerksamkeit schenken. Bis zum 26. Mai 2020 ist es grundsätzlich möglich, die Konformitätsbewertung weiterhin nach den Regeln der MDD durchzuführen. Es ist aber nicht klar, ob die Benannten Stellen während der Übergangsfrist personell und zeitlich in der Lage sein werden, parallel zwei Verfahren zur Konformitätsbewertung zu unterstützen. Mehr Kooperation entlang der Wertschöpfungskette ist sinnvoll Angesichts der Vielzahl an Änderungen und auch der deutlich gestiegenen Anforderungen an die Qualität und Tiefe der Dokumentation muss die Kooperation zwischen Herstellern und Zulieferern intensiver werden. Damit erhöhen sich die Anforderungen an Zulieferer. Es entstehen aber auch Chancen. Hersteller von Medizinprodukten werden von ihren Lieferanten mehr Informationen über die gelieferten Komponenten anfordern, um die eigene Dokumentation erstellen zu können. Der Lieferant muss unter Umständen einen Beitrag zur Klinischen Bewertung leisten oder spezifische Informationen für die Technische Dokumentation zur Verfügung stellen. Dafür müssen die Lieferanten teilweise spezifisches Know-how über Medizinprodukte aufbauen bzw. vertiefen. Auch die Anbindung an das Qualitätsmanagementsystem des Herstellers kann dabei enger werden als bisher. Hier ist zu beachten, dass die Hersteller von Medizin produkten ihre Qualitätsmanagementsysteme neuerdings nur noch nach der speziell auf Medizinprodukte zugeschnittenen Norm ISO 13485 zertifizieren lassen, da diese im Rahmen einer CE-Kennzeichnung die maßgebliche Norm ist. Auf eine zusätzliche Zertifizierung nach unspezifischen ISO 9001 werden die Hersteller von Medizinprodukten in der Regel verzichten. In den kommenden Jahren werden jedoch systembedingt inhaltliche Unterschiede zwischen beiden Normen entstehen. Bei Beziehungen zwischen Kunden in der Medizintechnik und Lieferanten aus anderen Branchen ist es deshalb ratsam, rechtzeitig zu prüfen, ob unterschiedliche Qualitätsmanagementsysteme verwendet werden. Probleme, die dadurch entstehen könnten, können dann schon im Vorfeld gelöst werden. Unternehmen, die in die Medizintechnik liefern wollen, sollten auch prüfen, ob eine zusätzliche eigene Zertifizierung nach der ISO 13485 sinnvoll ist. Zulieferer sollten in den kommenden Monaten also verstärkt das Gespräch mit ihren Kunden suchen. Dabei geht es darum zu verstehen, welche neuen Anforderungen an die Kunden gestellt werden und welchen Beitrag der Zulieferer leisten kann, um diese Anforderungen zu erfüllen. Grundsätzlich ist es im Interesse des Herstellers, einen Teil der zusätzlichen Anforderungen nicht selbst übernehmen zu müssen. Das gilt besonders dann, wenn der Zulieferer bereits über das spezifische Know-how verfügt, z. B. aus Beziehungen mit anderen Herstellern. Umgekehrt kann es auch im Interesse des Herstellers sein, seinen Zulieferer dabei zu unterstützen, fehlendes Know-how aufzubauen. Der Hersteller kann sich so möglicherweise dauerhaft von bestimmten Dokumentationsaufgaben entlasten. MDR: Änderungen verstehen, Chancen ergreifen Die Veränderungen durch die neue MDR dürfen nicht unterschätzt werden. Die notwendige Veränderung sollte aber dazu genutzt werden, um die Prozesse bei Entwicklung und Herstellung von Medizinprodukten zu optimieren. Die gestiegenen Anforderungen an die Technische Dokumentation und die Klinische Bewertung eröffnen Herstellern und Lieferanten auch Möglichkeiten, die Aufgaben entlang der Wertschöpfungskette neu zu verteilen und für alle Beteiligten Mehrwert zu stiften. Diesen Effekt hatte übrigens auch schon die bisherige Medizinprodukte-Richtlinie bei ihrer Verabschiedung im Jahr 1993. Insgesamt stellt die neue MDR die Medizinproduktebranche vor große Herausforderungen. Viele Veränderungen müssen in kurzer Zeit verstanden und umgesetzt werden. Die strengeren Anforderungen der neuen MDR sollen die Sicherheit von Medizinprodukten in Europa verbessern. Die kurze Übergangsfrist von drei Jahren ist diesem Ziel aus Sicht des ZVEI nicht angemessen. Umso wichtiger ist es, dass Hersteller von Medizinprodukten und ihre Zulieferer unverzüglich damit beginnen, die Umstellung der internen Prozesse und Abläufe auf die MDR vorzubereiten! Der ZVEI unterstützt seine Mitgliedsunternehmen dabei durch gezielte Veranstaltungen und den fachlichen Austausch im Verband. ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e. V. www.zvei.org meditronic-journal 3/2017 11

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