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4-2016

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Fachzeitschrift für Elektronik-Produktion - Fertigungstechnik, Materialien und Qualitätsmanagement

Interview

Interview Qualitätssicherung durch Prüftechnik: Luxus oder Muss für Elektronik-Ingenieure? Interview mit Marco Kämpfert, TechnoLab Umweltsimulations-Tests prüfen die Beständigkeit von Materialien, einzelnen Bauelementen, oder ganzen Geräten. Damit können Hersteller von elektronischen oder mechanischen Komponenten nahezu jeder Branche die Lebensdauer ihrer Produkte nachweisen. Geprüft wird beispielsweise nach chemisch-biologischen, physikalischen oder sonstigen Einwirkungen wie IP-Schutzarten, Temperaturwechsel, Salzverträglichkeit oder Lichtechtheit. Die Berliner TechnoLab GmbH bietet seit 1996 Dienstleistungen im Bereich Umweltsimulation und Schadensanalytik an. Das Prüf- und Testlabor wurde als Spin-Off eines mittelständischen Unternehmens der Nachrichtentechnik gegründet. Nach wie vor stellen die Gründungsmitglieder als Ingenieure und Führungskräfte die Kerngruppe und Basis des Prüf- und Testlabors, das heute etwa 30 Mitarbeiter beschäftigt. Innovative Impulse werden durch die enge Zusammenarbeit mit Universitäten und Fachverbänden angestoßen. Dank ihrer herausragenden Innovationskraft entwickeln die TechnoLab-Ingenieure beispielsweise bestehende Normtests weiter, um möglichst realitätsnahe Simulationen einer Belastungssituation herstellen zu können. Schließlich werden auch in der Qualitätssicherung Flexibilität und kundenindividuelle Anpassungen immer wichtiger, die Prüftechnik folgt den Innovationsschüben der Industrie 4.0 mit der Verschmelzung von Automation und Big Data. Wir sprachen über die Besonderheit individueller und kombinierter Umweltsimulationstests mit Dipl.- Ing. Marco Kämpfert, einem der drei Geschäftsführer von Techno- Lab und als Verantwortlicher für den Bereich Umweltsimulationen gleichzeitig Qualitätsbeauftragter ISO 9001:2008. Herr Kämpfert, was versteht man allgemein unter dem Begriff „Umweltsimulation“? Die Umweltsimulation gibt Belastungen vor, denen ein Produkt im realen Leben ausgesetzt ist. Dabei umschließt der Oberbegriff „Umwelteinflüsse“ jegliche Formen von chemischen, physikalischen oder sonstigen Einwirkungen auf das Produkt. Simulation lässt sich häufig gleichsetzen mit dem Begriff einer Alterung in Zeitraffer, die durch unsere Tests bewusst hervorgerufen wird, um die Beständigkeit des getesteten Geräts „real life“ zu beweisen. Die Umwelteinflüsse sind schließlich vielfältig – und nicht zuletzt mit dem Klimawandel verändern sich Anforderungen an die fertigende Industrie. Angenommen, dass in Deutschland die Häufigkeit von Unwettern wie Tornados zunimmt, ist das eine Frage, die die Hersteller von Befestigungskomponenten in der Bauindustrie interessieren muss. Hat der Prüfling (so nennen wir die zu testende Komponente) unseren Test bestanden, erhält der Anbieter ein bestimmtes Zertifikat. Im anderen Fall müsste er seinen Prototypen anpassen – dieser Teil der Tests bezieht sich auf den Fertigungsprozess und die Hersteller. Aber selbstverständlich kann auch der Endbenutzer ein fertiges Gerät testen lassen. Was ist das Besondere an Ihren – TechnoLabs– Umweltsimulationstests? „Der Fokus unserer Tätigkeit liegt auf elektronischen Baugruppen, ihrem Einsatz und ihrer Produktkette. Da elektronische Bauteile in nahezu allen technischen Geräten vorhanden sind, stellt sich die Frage, welche Branchen nicht betroffen sein sollten von Ausfällen durch Schwachstellen in der Platine beispielsweise.“ Wir bieten unterschiedlichste Materialtests und Qualitätsprüfungen sowie Zertifizierungen nach DIN und ISO/EN an. Dabei folgen wir den aktuellsten Regelwerken und sind stets bemüht, unsere Prüfungen zu optimieren – beispielsweise durch den Bau einer größeren Prüfkammer. Nach einer entsprechenden Bedarfsanalyse können wir die Tests kundenspezifisch anpassen, wenn etwa eine Folge mehrerer Tests sinnvoll erscheint oder ein Prüfling bisher schlecht oder gar nicht getestet werden konnte, weil beispielsweise die Maße zu groß waren (man denke etwa an Schiffsturbinen, Solarpanels oder ähnlich großflächige Produkte). Bisweilen reichen die zugrundeliegenden Standardwerke der bestehenden Tests nicht aus, der Kunde wünscht sich schließlich eine möglichst realitätsnahe Simulation für seinen konkreten Standort oder Produkt. Können Sie uns dafür ein Beispiel nennen? Vor kurzem haben wir unseren Blowing-Sand-Test optimiert. Dieser Test dient dazu, die Abnutzungserscheinungen an Materialien oder Bauteilen bei charakteristisch sandund staubbeladener Luft nachzustellen und anhand der Ergebnisse Fehler – etwa in der elektronischen Zusammensetzung der einzelnen Komponenten – zu verbessern. Konstruktionsfehler oder die Auswahl ungenügender Materialien in den kleinsten Bestandteilen führen dann beispielsweise bei Solarpanels in oder in der Nähe von Wüstengegenden zu kostspieligen Ausfällen 52 4/2016

Interview ganzer Geräte. Dafür gab es bereits Standardtests, die den Prüfling mit einem Standardmedium bestrahlen: meist Quarzsand mit einer bestimmten Korngröße, der anhand weiterer definierter Parameter wie Windgeschwindigkeit, Sandmenge und Einstrahlwinkel verwendet wird. Nun ist es so, dass nicht überall auf der Welt gleiche Winde und Sande existieren – zudem variieren noch weitere Parameter wie Temperatur, Luftfeuchte etc. Deshalb haben wir vor Kurzem die Daten von insgesamt 16 Wüstenregionen zusammengetragen und einen Sandstaubtest entwickelt, der sich individuell an die vorherrschenden Begebenheiten einstellen lässt. Zudem sind mit unseren Prüfständen Testverfahren bis zu 90° Celsius möglich – nach den höchsten Qualitätsstandards, die derzeit von europäischen Test- und Prüflaboren angeboten werden. Wüstengegenden kommen bei uns bekanntlich noch nicht vor… warum soll auch dieser Test interessant für Entwickler und Konstrukteure in Deutschland sein? Feinstaub ist ein Stichwort. In der Nähe von Industrieanlagen haben Sie automatisch eine höhere Partikelbelastung in der Luft. Eine Windkraftanlage, die möglichst lange funktionsfähig sein soll, muss gewissen Oberflächenabtragungen (sogenannten Abrasionen) oder Störungen der Elektronik durch feine Partikel trotzen können. Oder denken Sie an ländliche Gegenden, die Landwirtschaft: Bauund landwirtschaftliche Maschinenteile werden ebenfalls mit unserem Blowing-Sand-Test geprüft. Zudem bietet sich oft eine Kombination aus Sandstaub- und Salzsprüh- bzw. Nebeltest an. Bei letzterem wird die Widerstandsfähigkeit gegenüber Korrosion getestet. Dieser Test eignet sich z. B. dafür, Schiffsbauteile oder Off-Shore-Windanlagen, die nicht selten mehreren schädigenden Umwelteinflüssen zugleich ausgesetzt sind, optimal zu prüfen und entsprechende Zertifikate auszustellen. 4/2016 Welche Umweltsimulationen bieten Sie für wen an? Generell führen wir Materialtests, Qualitätsprüfungen und Zertifizierungen nach ISO und DIN durch und unterstützen so Entwickler bei der Optimierung ihres Fertigungsprozesses. Die Dienstleistungen kommen vor allem der Elektronik- Industrie und der Elektronikfertigung zugute, aber auch in vielen anderen innovativen Industriebereichen sind solche Tests erforderlich: Viele namhafte Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen vertrauen auf die Lösungen unserer Ingenieure und Techniker. Dazu zählen etwa Kunden aus der Luft- und Raumfahrt, der Medizintechnik oder den erneuerbaren Energien. Ein weiteres Standbein Ihrer Dienstleistungen stellt die Schadensanalytik dar. Beschreiben Sie kurz, was man darunter verstehen soll. Die Schadensanalytik im Fall eines technischen Versagensfalls ähnelt in ihrer Vorgehensweise einer kriminaltechnischen Untersuchung: Welche Schwachstelle führt zum Schaden und wie lässt sich die Kausalität eines Versagens erklären und beweisen? Anhand der Ergebnisse einer Analyse, beispielsweise des Burn-in- und Runin-Tests, einer Kombinationsprüfung u. a. für Keramikkondensatoren, erstellen wir zunächst ein Gutachten. Zusätzlich können wir eine kritische Beweiskette durch eine Schadenssimulation absichern. Generell bieten wir optische Inspektion, metallografische Verfahren und Materialanalytik an. Warum halten Sie eine Fehleranalyse generell für einen unverzichtbaren Baustein in der Fertigung? Viele Produzenten, vor allem mit Zulieferern, die im Ausland billiger produzieren, nehmen eine Fehlerquote von 0,1% hin. Das klingt erst einmal wenig. Aber selbst eine 99,9%ige Fehlerfreiheit würde – um einige nachvollziehbare Beispiele zu nennen – bedeuten: Jeden Monat nehmen wir eine Stunde verschmutztes Trinkwasser in Kauf. Oder 500 fehlerhafte Operationen wöchentlich. Jedes produzierte Auto hätte 80 Fehler. Um beim letzten Beispiel zu bleiben: Niemand freut sich über Fehler, keiner würde so ein Auto haben wollen. Fehler sind aber auch ein Motor für den Fortschritt. Qualitätssicherungen mittels Schadensanalyse helfen, zukünftige Fehler zu vermeiden oder durch rechtzeitige Prüfung im Laufe des Produktionsprozesses erst gar nicht entstehen zu lassen. Und für wen eignen sich diese Schadensanalysen? Der Fokus unserer Tätigkeit in diesem Bereich liegt auf elektronischen Baugruppen, ihrem Einsatz und ihrer Prozesskette. Da elektronische Bauteile in nahezu allen hochtechnologischen Geräten vorhanden sind, stellt sich eher die umgekehrte Frage, welche Branchen nicht betroffen sein sollten von Ausfällen durch Schwachstellen in der Platine beispielsweise. Und wenn man an besonders risikobehaftete Einsatzgebiete wie die Medizin- oder die Raumfahrttechnik denkt, möchte man vermeidbare Fehler wirklich nicht unentdeckt lassen. Elektroniken mit langer Einsatzdauer, beispielsweise im Smart Grid, haben spezielle Gefahrenquellen und Ausfallerscheinungen und benötigen unter Umständen Prüfmethoden, die über herkömmliche Verfahren hinausgehen. Im Übrigen schulen und beraten wir auch Hersteller, die In-House-Tests durchführen möchten, über die Möglichkeiten in Bereichen wie Fehlermechanismen von Lötverbindungen oder Leiterplatten. Welche Faktoren führen beispielsweise zum Entstehen eines Schadens? Auf der einen Seite gibt es die Konstruktionsfehler, z. B. falsche Material- oder Verfahrensauswahl. Produktionsfehler entstehen z. B. durch Mängel in der Prozesskette oder in einzelnen Zulieferteilen. Auch die Parameter können falsch abgestimmt sein. Ganz banal können auch eine falsche Lagerung und Transport schuld sein am Entstehen einer Schwachstelle. Menschliches Versagen äußert sich auch in Betriebsfehlern, wie Überlastung oder Bedienungsfehlern. Höhere Gewalt wie Unwetter kann auch zu Ausfällen führen – die Liste der „Übeltäter“ ist lang. Wir danken für das Gespräch. TechnoLab GmbH www.technolab.de 53

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