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4-2022

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Fachzeitschrift für Medizintechnik-Produktion, Entwicklung, Distribution und Qualitätsmanagement

Produktion

Produktion Laserschweißen - einfach, sicher und sauber Lasergeschweißtes medizinisches Bauteil (nadellose Spritze) Autoren: Dipl.-Ing. Frank Brunnecker, Geschäftsführer & Gesellschafter Dipl.-Ing. Christian Ebenhöh, Key Account Manager Evosys Laser GmbH www.evosys-laser.de Laserschweißen von Kunststoffen ist das ideale Verfahren, wenn Kunststoffteile medizinischer Produkte prozesssicher miteinander verbunden werden sollen. Diese Technologie genießt heute einen guten Ruf in der Pharma- und Medizintechnikindustrie, da sie als validierungssicher gilt. Vom Blut zuckermessgerät über die Insulin- und Medikamentendosierung bis hin zu Strukturkomponenten medizinischer Ausrüstung wird das Verfahren in vielen Bereichen eingesetzt. Laserschweißen von Kunststoffen hat sich in den vergangenen 20 Jahren bedeutend weiterentwickelt und zählt heute zu den bevorzugten Verfahren, wenn es darum geht, sichere Verbindungen zu erzeugen. Insbesondere bei Anwendungen, die eine hohe Sauberkeit im Herstellungsprozess erfordern, spielt die berührungslose und schonende Fügetechnologie ihre Stärken aus. Dabei werden die beiden zu verbindenden Bauteile überlappend positioniert und mit definiertem Druck aufeinandergepresst (Bild 1). Beim üblichen Prinzip des Durchstrahlschweißens durchdringt der Laser mit einer Wellenlänge im Bereich von 800 bis 1.100 nm das obere, lasertransparente Bauteil und wird an der Oberfläche des unteren Bauteils absorbiert. Der untere Fügepartner wird dadurch direkt, der obere über Wärmeleitung so weit erhitzt, bis beide Materialien aufschmelzen und es zu einer stoffschlüssigen Verbindung kommt. Klar-klar-Verfahren Eine Besonderheit dieser Methode ist die Notwendigkeit zweier unterschiedlich gefärbter Fügeteile, um eine ausreichende Absorption des Bearbeitungslasers sicherzustellen. Das EvoClear-Verfahren umgeht diese Voraussetzung. Es wird oft auch als 2µm-Schweißen oder auch Klar-klar-Verfahren bezeichnet. Durch den Einsatz einer Laserwellenlänge im Bereich von 1,5 µm bis 2,2 µm können zwei ungefüllte, insbesondere im sichtbaren Bereich klare Kunststoffe miteinander verbunden werden. Zwar können mit dieser Variante nicht uneingeschränkt alle Fügeaufgaben bearbeitet werden, jedoch lohnt sich besonders bei medizinischen Produkten eine genaue Prüfung, da auf Absorberzusätze verzichtet werden kann. Im Vergleich zum Durchstrahlschweißen liegt der wesentliche Unterschied in der Art der Energieeinbringung. Das EvoClear-Verfahren nutzt die Eigenschaft der meisten Thermoplaste, schon im Naturzustand Wellenlängen über 1,5 µm stärker zu absorbieren. Die Deponierung der Energie erfolgt im Wesentlichen nicht im Kontaktbereich der beiden Fügepartner, sondern komplett im durchstrahlten Volumen und wird durch eine geeignete Anlagentechnik geschickt gesteuert. Laserschweißen von Polymeren So ist das Laserschweißen von Polymeren in der Medizintechnik nicht mehr wegzudenken, zumal der Einsatz von Kunststoffen in der Medizin kontinuierlich wächst und die Produktkomplexität sowie Funktionsintegration stetig zunimmt. Kunststoffe zählen zu den am meisten verwendeten Materialien in der Medizin. Der wichtigste Grund dafür ist die hohe Sicherheit für den Patienten. Medizinisch zugelassene Kunststoffe sind hautfreundlich und lösen keine Allergien aus. Außerdem sind sie nahezu unzerbrechlich, nehmen keine Gerüche an und weisen eine hohe Beständigkeit gegen Wasser und viele andere Medien auf. Hinsichtlich der Herstellprozesse bieten Polymere eine fast unerschöpfliche Form- und Anpassbarkeit, das Design kann nahezu perfekt auf den jeweiligen Einsatzzweck zugeschnitten werden. Da neben sind die Endprodukte und ihre Verarbeitungsverfahren im Vergleich zu Alternativen aus Metall oder Glas häufig preiswerter und können so in vielen Anwendungen problemlos als einfach zu nutzender Einwegartikel ausgelegt werden. Breites Anwendungsspektrum Das Anwendungsspektrum ist somit breit gefächert. Angefangen von Verpackungen, Infusionsbeuteln, Schläuchen und weiteren Komponenten für Injektionssysteme, über Prothesen und Inlays bis hin zu Gehäusen für elektronische Kleinund Großgeräte, ist der Einsatz von Kunststoffen denkbar (Bild 2). Auch komplexe Analyse-Cartridges für die in-vitro Diagnostik sind mittlerweile Standard, wofür häufig das Laserschweißen als Fügeverfahren eingesetzt wird. Soll das stoffschlüssige Schweißen als Verbindungstechnik für eine Kunststoffbaugruppe eingesetzt werden, können nur Thermoplaste und thermoplastische Elastomere eingesetzt werden. Für die Medizin relevant und erfolgreich in der Praxis mit dem Laser gefügt sind im Besonderen: Polyamide (PA), Poly propylen (PP), Polycarbonat (PC), Cycloolefin-Copolymere (COC), Polymethylmethacrylat (PMMA) sowie Polystyrol (PS) und Polyetheretherketon (PEEK). Bild 1: Schweißprinzip mit lasertransparentem und laserabsorbierendem Fügepartner 22 meditronic-journal 4/2022

Produktion Bild 2: Allgemeine medizinische Bauteile aus Kunststoff Vorteile des Laserschweißens Das Laserschweißen spielt sein Potenzial vor allem dann aus, wenn es im Produktionsprozess auf Hygiene, absolute Partikelfreiheit und Reproduzierbarkeit ankommt. Konventionelle Verfahren, wie das Ultraschallschweißen oder Kleben, können den immer höheren Reinheitsanforderungen der Produkte nicht immer gerecht werden. Beim Ultraschallschweißen entstehen verfahrensbedingt Partikel in der Fügezone, wohingegen die bei einer Klebeverbindung erforderlichen Zusatzstoffe hinsichtlich der medizinischen Unbedenklichkeit häufig eine Herausforderung darstellen. So müssen bereits für Produkte der EU-Risikoklasse IIa (z. B. Hörgeräte) neu in die Baugruppe eingebrachte Stoffe zertifiziert werden, wodurch sich eine Markteinführung enorm verzögern kann. meditronic-journal 4/2022 Reinraumfähigkeit Mit dem Laserschweißen erhalten die Entwickler und Hersteller dagegen einen äußerst sicheren und hygienischen Produktionsprozess für Rein- und Sterilraumbedingungen. Das Ziel ist dort, einen abgeschotteten Bereich möglichst kontaminationsfrei zu halten. Die Partikelreduzierung im Inneren wird durch entsprechend dimensionierte, mehrstufige Luftfilterungseinrichtungen ermöglicht. Die Luft wird mehrfach pro Stunde möglichst turbulenzarm, also ohne Verwirbelung, umgewälzt und gefiltert. Zugangsschleusen und Schutzkleidungen sorgen dafür, dass möglichst wenig Partikel von außen eingebracht werden. Für die Klassifikation der Reinheit solcher Räume gibt es die Norm ISO 14644-1. Sie erlaubt beispielsweise in der Reinheitsklasse ISO 1 pro Kubikmeter Luft gerade einmal noch zwölf Partikel, davon zehn Stück in der Größe von einem zehntausendstel Millimeter und zwei Stück in der Größe von zwei zehntausendstel Millimeter. Die geforderte Klasse hängt dabei stark von der Anwendung ab, so dass die meisten Produktionsprozesse in den Reinheitsklassen ISO 5 bis 8 realisiert werden. Zwei Herangehensweisen Um ihren unterschiedlichen Anforderungen Rechnung zu tragen, sind zwei Herangehensweisen möglich. Eine basiert auf der Integration der gesamten Reinraumtechnik innerhalb des Gehäuses des Schweißsystems. Dabei wird mittels entsprechender Filter die Partikelanzahl um den Faktor 8.000 bis 10.000 verbessert. Abhängig von den Umgebungsbedingungen wird mit dieser Anlagentechnik im Bearbeitungsraum der Maschine eine Reinraumklasse besser als ISO 5 erreicht. Die zweite Möglichkeit enthält keine eigenen Filterelemente, sondern ist für den Einsatz in einer Reinraumumgebung konzipiert. Bei dieser Herangehensweise wird speziell auf die Verwendung partikelarmer Komponenten geachtet, um die Kontamination der Luft zu reduzieren. Beide Herangehensweisen erlauben die Laserschutzklasse 1, wodurch die Systeme im normalen Produktionsumfeld ohne zusätzliche Laserschutzmaßnahmen betrieben werden können. Qualitätsprüfung Das Laserschweißen ist für die Medizinproduktion besonders geeignet, da sich die Prozess qualität für jedes einzelne Bauteil erfassen und dokumentieren lässt. Dafür stehen in der Wertschöpfungskette eine ganze Reihe, teilweise parallel arbeitender Systeme und Sensoren zur Verfügung. Vor dem Schweißprozess kann zunächst eine manuelle oder auch automatische Überprüfung der Materialeigenschaften stattfinden. Um die für das Laserschweißen wichtige Transmission zu messen, kann ein Prüfgerät (Bild 3) die Baugruppen vorab entweder einer Stichprobenoder 100%-Prüfung unter ziehen. Schwankungen an zugeführten Rohteilen können so frühzeitig erfasst und dokumentiert werden. Während des Schweißprozesses stehen dann je nach Verfahrensvariante unterschiedliche Methoden zur Überwachung zur Verfügung. Allen Varianten gemein ist die vollständige Kontrolle und Dokumentation der wichtigen Systemparameter, wie etwa Schweißzeit, Spannkraft und Laserleistung. Vorteilhaft ist es, wenn die Laserleistung einer 100%-Überwachung in der Strahlformung unterliegt. Üblicherweise wird die Leistung nur in der Strahlquelle gemessen oder indirekt berechnet, wodurch mögliche Defekte z. B. an der Faserführung des Lasers nicht erkannt werden können. Quasisimultanschweißen Beim sogenannten Quasisimultanschweißen wird die erwähnte Parameterkontrolle durch eine Fügewegüberwachung ergänzt. Ein Sensor erfasst dabei die charakteristische Relativbewegung der Fügeteile zu einander und wertet diese über die Zeit aus, was eine sichere Aussage über das Schweißergebnis ermöglicht. Bild 3: Das Prüfgerät PICTOR Planar Eine weitere felderprobte Möglichkeit zur Online-Prozesskontrolle ist die Messung der Temperatur in der Fügezone mittels berührungslosem Pyrometer. Diese Methode überträgt die Temperaturwerte ortsaufgelöst in ein Zeit-/Temperatur- Diagramm und vergleicht sie mit oberen und unteren Hüllkurven. Unterbrechungen in der Schweißnaht, die beispielsweise durch Formfehler oder Beschädigungen eines der Fügepartner entstehen können, werden damit sicher erkannt. Die Pyro metrie wird typischerweise beim Konturschweißen ohne Fügeweg eingesetzt, kann aber auch beim Quasisimultanschweißen als ergänzende Überwachung dienen. Nach dem Schweißvorgang können die fertigen Baugruppen schließlich mittels nachgeschalteter Kamerainspektion im sichtbaren oder infraroten Wellenlängenbereich bewertet werden. Fehler in der Schweißnaht werden so zuverlässig erkannt und fehlerhafte Bauteile aussortiert. Fazit Laserschweißen von Kunststoffen ist als Verfahren prädestiniert für die hohen Anforderungen in der Herstellung medizintechnischer Produkte. Es ist als sauberes und partikelfreies Verfahren uneingeschränkt reinraumtauglich und bringt mit der lückenlosen Nachverfolgbarkeit sowie den umfangreichen Möglichkeiten zur Prozesskontrolle alle Eigenschaften mit, die für eine zuverlässige Produktion notwendig sind. ◄ 23

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