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4-2022

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Fachzeitschrift für Elektronik-Produktion - Fertigungstechnik, Materialien und Qualitätsmanagement

Reflow Als

Reflow Als Falschfarbenbild dargestellte Delaminationen im Gehäuse eines elektronischen Bauteils entspricht die Schallgeschwindigkeit im Hohlraum der von Luft, also etwa 340 m/s. Die Schallgeschwindigkeit im Kunststoffs des Gehäuses beträgt jedoch etwa 2400 m/s [5]. Daher kommt es an einer solchen Grenzfläche nahezu zur Totalreflektion. Eine solche Grenzfläche erscheint hell im Reflexionsbild. Über einen Algorithmus können solche Defektbereiche eingefärbt werden. Aktion Bauteilauswahl - Funktionsprüfung visuelle Analyse Analyse mit akustischem Mikroskop - Bemerkung elektrischer Test 40-fach Trocknung 24 h @ 125 °C Feuchtigkeitsaufschlag Reflow-Simulation 3 Zyklen @ 260 °C Funktionsprüfung visuelle Analyse Analyse mit akustischem Mikroskop - Zuverlässigkeitstests gemäß AEC-Q-Standard Moisture Sensitivity Level (MSL) Schon die theoretische Überlegung der Effekte hinter dem Popcorn-Effekt legt nahe, dass die Feuchtigkeit in den Bauteilen vor einem Lötprozess mit hohen Temperaturen reduziert bzw. die Anfälligkeit der Bauteile gegen Feuchtigkeit qualifiziert werden muss. Für die Qualifizierung wurde das Moisture Sensitivity Level (MSL) eingeführt [6]. Mit der MSL-Klassifizierung stuft der Hersteller eines elektronischen Bauteils ein, wie lange dieses vor der Verarbeitung im Lötprozess Luftfeuchtigkeit ausgesetzt werden darf. Von Level 1 (unbegrenzte Zeit) bis Level 6 („time on label“), wobei Bauteile dieses Levels direkt vor der Verarbeitung getrocknet werden müssen. Um die Empfindlichkeit eines Gehäuses gegen Feuchtigkeit zu qualifizieren, wird der JEDEC-Standard J-STD-020 angewandt (vgl. Tabelle). Hierbei werden die zu untersuchenden Bauteile zunächst elektrisch getestet und visuell überprüft. Anschließend wird mit dem akustischen Mikroskop der innere Aufbau untersucht, um den Ausgangszustand zu charakterisieren. Danach werden die Bauteile getrocknet und für eine MSL-Klasse abhängige Zeit bei erhöhter Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Klimaschrank gelagert. Anschließend werden die Bauteile mit einer dreifachen Reflow-Simulation bei 260 °C gestresst, um einen späteren Lötprozess zu simulieren. Weisen die elektronischen Bauteile anschließend weder beim elektrischen Test, noch bei der optischen und akustischen Mikroskopie kritische Fehler auf, erfüllen sie das entsprechende Moisture Sensitivity Level (MSL). Als kritische Fehler gelten u.a.: • Fehler beim elektrischen Test • äußerlicher Riss (sichtbar mit 40-facher Vergrößerung) • innerer Riss, der Bonddraht, Ball Bond oder Wedge Bond kreuzt • innerer Riss, der den Bauteilanschluss mit anderen inneren Strukturen verbindet • innerer Riss >2/3 des Abstands zwischen einer inneren Struktur und der Außenseite des Gehäuses • Veränderungen in der Ebenheit des Gehäuses (siehe JESD22-B101) Delaminationen sind nicht automatisch ein Rückweisungsgrund. Entscheidend ist bei Delaminationen die Position im Gehäuse. Gegebenenfalls sind zusätzliche Stresstests und Erfahrungen aus dem Praxiseinsatz für die finale Bewertung notwendig. z.B. 85 °C und 85% RH für 168 h (für MSL1) elektrischer Test 40-fach optional Beispielhafter Ablauf zur MSL-Qualifikation eines elektronischen Bauteils gemäß J-STD-020 Vergrößerte Aufnahme eines defekten Dry-Packs Trocknen, aber richtig! Trotz gegebener MSL-Angabe auf einem Dry-Pack und zahlreichen Regelungen, welche die Bauteile vor Feuchtigkeit schützen sollen (vgl. J-STD-033), ist die reale Welt etwas komplizierter. Wird in der Lieferkette, welche in Zeiten von Halbleiterchipmangel sehr lang sein kann, die Feuchtigkeit nicht lückenlos kontrolliert oder ein Dry-Pack wurde beschädigt, kann es beim Löten zu dem befürchteten Popcorn-Effekt kommen. Um durch diesen Effekt auftretende Fehler beim Lötprozess auszuschließen, müssen elektronische Bauteile mit unbekanntem Feuchtigkeitsgehalt getrocknet werden. • Trocknung nach J-STD-033 Um die Einhaltung der MSL- Klasse während der Lagerung und des Transports zu kontrollieren, werden die Bauteile in speziellen Aluminium-Verpackungen (Dry-Packs) zusammen mit einem Silikagel-Beutel zur Aufnahme von Feuchtigkeit und einem Feuchtigkeitsindikator verpackt. Die Feuchtigkeitsindikatoren besitzen nach J-STD-033 drei Feuchtigkeitsbereiche: 5%, 10% und 60%. Wenn sich diese verfärben müssen die Bauteile, je nach MSL-Klasse, getrocknet werden. Für die Trocknung gibt es im Allgemeinen den JEDEC-Standard J-STD-033. In diesem ist abhängig von der jeweiligen MSL-Klasse und Gehäusedicke geregelt, welche Trocknungsdauer bei einer bestimmten Temperatur in der Klimakammer eingestellt werden muss. Bauteile mit MSL-Klasse 3 und einer Dicke von 1,4 mm müssen z.B. bei 125 °C für 27 h getrocknet werden. Mittels Standardtrocknung kann zwar erfolgreich der Popcorn-Effekt abgestellt werden, es kommt aber zu anderen unerwünschten Effekten, die als Bauteilalterung zusammengefasst werden können. Bei Bauteilen mit einem Kupfer-Leadframe und einer Reinzinnbeschichtung auf den elektrischen Kontakten kann es als Alterungseffekt z.B. zum Wachstum der intermetallischen Phase kommen. Durch die Trocknung bei hoher Temperatur diffundieren Kupferatome aus dem Kup- 78 4/2022

Reflow fergrundwerkstoff bzw. dem Leadframe in die Lötoberfläche der elektronischen Kontakte. Bei einem Standardtrocknungsprozess mit 125 °C und einer Dauer von 48 h wächst die intermetallische Phase um etwa 1,5 µm. Das entspricht einer Lagerung der Bauteile von etwa einem Jahr bei Raumtemperatur oder einem durchlaufenen Lötprozess. In Anbetracht, dass die Reinzinnbeschichtung auf den Kontakten der elektronischen Bauteile lediglich 4 bis 8 µm dick ist, dürfen/können die Bauteile nicht beliebig oft getrocknet werden. Die mit jedem Trocknungsprozess wachsende intermetallische Phase kann bei starker Ausprägung bis zu dem Verlust der Verarbeitbarkeit der Bauteile führen, da sie einen deutlich höheren Schmelzpunkt als die beim Lötprozess maximal erreichte Temperatur aufweist. Zusätzlich ist die bereits vorliegende intermetallische Phase zu beachten, die abhängig von der Herstellung und den Lagerungsbedingungen des jeweiligen Bauteils schon vorhanden sein kann. • Alterung vermeiden Um den Alterungseffekt des intermetallischen Phasenwachstums während der Trocknung oder einer Lagerung zu reduzieren bzw. gänzlich abzustellen sind unterschiedliche Verfahren bekannt. 1. Nickel-Sperrschicht: Bei Bauteilen mit einem Kupfer-Leadframe verwenden einige Hersteller zwischen Kupfer und Reinzinn eine Nickel-Sperrschicht, um die Diffusion von Kupfer in das Zinn zu verhindern. 2. Nickel-Palladium-Lötoberfläche: Statt Reinzinn verwenden Hersteller auch Nickel-Palladium für die Beschichtung der Kupfer-Pins. Auch diese Beschichtung verhindert das intermetallische Phasenwachstum. 3. HTV-PLUS-Vakuumtrocknung: Es gibt aber auch eine schonende Art der Trocknung mit Vakuum. Hier kann mit niedrigen Temperaturen gearbeitet werden (z.B. nur 40 °C). Bei der Vakuumtrocknung wird wiederum der Dampfdruck des Wassers genutzt, welcher bei Raumtemperatur bei 0,023 bar liegt. Wird der Umgebungsdruck unter diesen Wert gebracht, beginnt das Wasser zu sieden. So ist es möglich auch bei niedrigen Temperaturen die Bauteile, sogar in der Verpackung wie Tray oder Gurt, schonend zu trocknen und so die Lötbarkeit der Bauteile zu erhalten. Fazit Der Popcorn-Effekt wird als Zusammenfassung einer Reihe von Beschädigungen im Gehäuse eines elektronischen Bauteils verstanden, die durch verdampfendes Wasser beim Lötprozess hervorgerufen werden. Die trockene Lagerung der Bauteile oder ein zusätzlicher Trocknungsschritt vor einem Lötprozesse sind daher elementarer Bestandteile bei der Verarbeitung feuchteempfindlicher elektronischer Bauteile. Neben elektronischen Bauteilen können auch Leiterplatten von diesem Effekt betroffenen sein und sollten nach Möglichkeit entsprechend in Dry-Packs vor dem Lötprozess gelagert werden. Die HTV unterstützt ihre Kunden beim gesamten Prozess: bei © HTV Conservation GmbH Feuchtigkeitsindikatoren im trockenen (links) und feuchten Zustand (rechts). Zudem ist gezeigt, bei welchen MSL-Klassen getrocknet werden muss, wenn die verschiedenen Prozentstufen angeschlagen haben der MSL-Klassifizierung, der Trocknung, dem Analysieren des Ist- Zustandes der Bauteile, als auch der richtigen Verpackung für die gewünschte Lagerzeit. Mit dem TAB-Verfahren können die getrockneten Bauteile sogar über Jahrzehnte vor der weiteren Verarbeitung eingelagert und vor Feuchtigkeit und Alterungseinflüssen geschützt werden. Wenn Sie weiterführende Fragen und Diskussionsbedarf haben, können Sie die Vertreter von HTV auf der electronica vom 15. bis 18.11.2022 in der Halle A3 am Stand 554 im Trade Fair Center der Messe München treffen. HTV ist einer der weltweit führenden Anbieter für Dienstleistungen rund um elektronische Komponenten und Werkstoffprüfung. Neben Test und Langzeitkonservierung elektronischer Bauteile und Baugruppen ist insbesondere die Analytik eine der Kernkompetenzen von HTV. Literatur [1] www.geothermie.de/bibliothek/ lexikon-der-geothermie/w/wasserdampf.html [2] Hoseney, R. C., K. Zeleznak, and A. Abdelrahman. „Mechanism of popcorn popping.“ Journal of cereal Science 1.1 (1983): 43-52 [3] https://ts.kurtzersa.de/electronics-production-equipment/loetlexikon/begriff/pop-corn-effekt.html [4] https://dewiki.de/Lexikon/Spaltkorrosion [5] https://wiki.polymerservicemerseburg.de/index.php/Schallgeschwindigkeit [6] N. N: Moisture Sensitivity Level. https://de.wikipedia.org/ wiki/Moisture_Sensitivity_Level, 2022 ◄ © HTV Conservation GmbH Trocknung im Vakuum reduziert das intermetallische Phasenwachstum bei elektronischen Bauteilen mit Kupfer-Leadframe und Reinzinn- Lötoberfläche drastisch 4/2022 79

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