Löt- und Verbindungstechnik Lote, Flussmittel und Pasten für Rework- und Reparaturlötungen Laut einer aktuellen Umfrage (Eurobarometer 04/2022) würden nahezu 80% der Menschen in Europa ihre Elektrogeräte lieber reparieren lassen, als (ständig) neue Geräte kaufen zu müssen, weil sich laut Aussage des Services eine Reparatur nicht mehr lohne. Strengere Vorgaben Seit dem 1.3.2021 gelten gemäß EU-Ökodesign-Richtlinie für Haushalts- und Konsumentengeräte, wie Waschmaschinen, Geschirrspüler, Kühlgeräte sowie TV-Geräte, strengere Vorgaben, die eine Reparatur vereinfachen und somit für Verbraucherinnen und Verbraucher attraktiver machen sollen. So werden z.B. Hersteller verpflichtet, Geräte so zu konzipieren, dass Reparaturen mit „handelsüblichen Werkzeugen“ durchgeführt werden können, ohne dass das Gehäuse dabei beschädigt werden muss. Ersatzteile müssen leicht erhältlich, langfristig verfügbar (bis zu 10 Jahre bei Waschmaschinen) und kurzfristig lieferbar sein (innerhalb von 15 Tagen). Zudem muss „fachlich kompetenten Reparateuren“ der freie Zugang zu entsprechenden Reparaturanleitungen vom Hersteller gewährt werden. Das Europaparlament hat das „Recht auf Reparatur“ als Priorität für 2022 festgelegt. Die richtige Auswahl von Lot und Flussmittel ist beim Handlöten genauso wichtig wie beim Maschinenlöten. Je nach Anforderung können sowohl Lotdrähte mit Flussmittelseele (Röhrenlote), Lötpasten mit und ohne Metallpulveranteil bzw. Reparaturflussmittel in Kombination mit (Mini)-Tauchlötbädern zum Einsatz kommen. Mit der Auswahl der geeigneten Lötmittel wollen wir uns im Folgenden befassen. Röhrenlote Röhrenlote (Weichlötdrähte mit Flussmittelfüllung) werden in verschiedenen metallischen Legierungen und Flussmitteltypen in diversen Durchmessern angeboten. Bei der Auswahl des passenden Lötdrahtes stellen sich dem Anwender folgende grundlegende Fragen: 1. Welche Legierung soll eingesetzt werden (bleihaltig /bleifrei)? 2. Welcher Flussmitteltyp ist für die Anwendung sinnvoll? 3. Welcher Flussmittelanteil ist erforderlich? 4. Welcher Lötdrahtdurchmesser ist passend? Auswahl der Weichlotlegierung RoHS-konforme Baugruppen müssen, bis auf wenige Ausnahmefälle, bleifrei gelötet werden. Dies gilt selbstverständlich auch für bei einer Reparatur anfallende Lötarbeiten. Die gängigen bleifreien Legierungen für den Handlötprozess decken sich mit denen für Schwallund Reflowlötprozesse. Die in der Baugruppenfertigung eingesetzten Weichlote sind in u.a. in der Norm ISO 9453 aufgeführt. Auch die DIN EN 61190-1-3 beschreibt in ihren Teilen1 bis 3 die Anforderungen an Verbindungsmaterialien für Baugruppen der Elektronik. Nun hat man also die „Qual der Wahl“. Sicherlich ist es sinnvoll, die Lotlegierung zu verwenden, die man auch im vorgeschalteten Lötprozess verwendet hat. Also Sn100Ni+ wie auch in der Welle? Aber im Reflowprozess kam SAC387 oder SAC405 zum Einsatz! Muss jetzt von Lötstelle zu Lötstelle der Lötdraht gewechselt werden? Oder kann man bleifreie Lote unbedenklich untereinander mischen, also beispielsweise eine SAC305-Lötstelle mit Sn99,3Cu0,7 nachlöten? Dies ist natürlich in erster Linie von internen und externen Vorgaben Ihrer Fertigung abhängig wie z.B. der IPC J-STD-001 (Anforderungen an gelötete elektrische und elektronische Baugruppen). Aber was genau entsteht denn bei der Mischung von Zinn-Kupfer und Zinn-Silber-Kupfer? Richtig, Zinn-Silber-Kupfer! „Kein klar definierter Zustand“, sagen Sie jetzt, auch richtig. Aber das Lot aus der Welle bzw. dem Reflowprozess ist spätestens nach eben diesen Lötprozessen nicht mehr in der definierten originalen Zusammensetzung auf der Leiterplatte vorhanden! Je nach Leiterplattenfinish haben Sie die Lotlegierung bereits mit Zinn-Kupfer-Nickel (HAL-Bleifrei), Nickel-Gold (ENIG), Silber (chem. Ag) oder Kupfer (OSP) mehr oder weniger stark „verunreinigt“. Oder man entscheidet sich für das Lot mit der niedrigsten Schmelztemperatur (SAC387), um Baugruppe und Lötkolben zu schonen. Schauen wir uns dazu die Empfehlungen der Hersteller von Lötstationen an, so wird für bleifreie Lote eine Lötkolbentemperatur von 350 bis 380 °C empfohlen (unabhängig von der Lotlegierung). Bleifreie Lote sind aufgrund ihrer Zusammensetzung und der erforderlichen erhöhten Löttemperaturen wesentlich aggressiver gegenüber gängigen Grundwerkstoffen und Anlagenteilen in der Elektronikfertigung. Dies hat auch zur Folge, dass Lötspitzen schneller ablegiert werden und im schlimmsten Fall innerhalb weniger Tage unbrauchbar werden! Neben den Standard-Lotlegierungen werden daher seit der „Bleifrei-Umstellung“ bevorzugt Lote mit sogenannten Mikrodotierungen angewendet. Diese Dotierungen sind Legierungszusätze wie z.B. Nickel, Germanium etc. Insbesondere Nickel dient u.a. dem Schutz der Lötspitzen und verlängert deren Standzeit merklich. Auch der Abtrag der Substrat-Metallisierung ist bei silberarmen oder-freien Lotlegierungen mit Nickeldotierung wesentlich geringer. Daher sind z.B. Legie- FELDER gmbH www.felder-gmbh.de Gängige bleifreie Lotlegierungen 86 4/2022
Löt- und Verbindungstechnik Auszug aus der IPC J-STD-006 mit den äquivalenten FELDER-Lötdrahttypen Einteilung von Weichlöt-Flussmitteln nach Ihren Bestandteilen (ISO 9454.1) rungen wie Sn100Ni+, SN100403C oder Sn99Ag+ trotz ihres höheren Schmelzpunktes für Nachlötungen bestens geeignet. Auswahl des Flussmittels Grundsätzlich sind alle Flussmittel gleichen Typs (aber unterschiedlicher Hersteller) miteinander mischbar. Das zur Nacharbeit verwendete Flussmittel muss mit den in den automatischen Lötprozessen verwendeten Flussmitteln kompatibel sein. In der Baugruppenfertigung sind hauptsächlich Flussmittel der Klassifizierungen ROL0, ROL1, REL0 oder REL1 in Verwendung. Dies sind halogenfrei bzw. halogenarm aktivierte Flussmittel auf natürlicher (RO) bzw. synthetischer (RE) Harzbasis, deren Rückstände als No-Clean bezeichnet werden. Neben der international anerkannten IPC-Norm ist die ISO 9454.1 eine weitere Norm für Weichlöt-Flussmittel, die sich aber nicht ausschließlich mit dem Einsatzbereich Elektronikfertigung befasst. Ein weiterer maßgeblicher Unterschied der beiden Normen liegt in der Klassifizierung. Während die IPC-J-STD-006 die Flussmittel nach ihrer Aktivierung bzw. nach der Wirkung der Flussmittelrückstände einstuft, orientiert sich die ISO 9454-1 an den Hauptbestandteilen des Flussmittels. Flussmittel mit Halogenidgehalten >0,5% wurden bisher aufgrund der Korrosionsgefahr ihrer Rückstände sowie der geringeren Isolationswiderstände in der Baugruppenfertigung kaum eingesetzt. Neuer bleifreier Lötdraht Durch kontinuierliche, intensive Forschung im Lötmittelbereich ist es der FELDER GmbH gelungen, einen Lötdraht zu entwickeln, der mit einer ausgewogenen Mischung von organischen Säuren, hochwertigen Harzen und Halogeniden die hervorragenden löttechnischen Eigenschaften eines halogenaktivierten Lötdrahts mit der No-Clean-Funktionalität von ROL0- bzw. REL0- Flussmitteln zu kombinieren. Der bleifreie FELDER-Lötdraht ISO-Core Clear wurde allen gängigen Prüfungen nach IPC-TM-650 unterzogen: 2.3.32 Kupferspiegeltest bestanden 2.4.46 Ausbreitungstest bestanden 2.4.48 Test auf Flussmittelspritzer bestanden 2.6.3.3 Oberflächen-Widerstandstest >100 MOhm 2.6.14.1 Test auf elektrochemische Migration bestanden 2.6.15 Prüfung auf Korrosivität bestanden Erforderlicher Flussmittelanteil Gängige Flussmittelgehalte sind 1, 1,5, 2, 2,2, 2,5, 3 und 3,5%. Dabei werden halogenfreie Röhrenlote meist mit einem Flussmittelanteil von 3 bis 3,5%, halogenhaltige eher mit 2,2 bis 2,5% angeboten. Für Nacharbeiten und Reparaturen an Lötstellen aus dem Wellen- bzw. Reflowprozess sind auch Lötdrähte mit geringeren Flussmittelanteilen (0,7 bis 1,5%) einsetzbar, da nutzbare Flussmittelrückstände aus vorhergegangenen Lötprozessen auf der Baugruppe vorhanden sind. Das Flussmittel befindet sich im inneren des Drahtes, in der sogenannten Flussmittelseele oder auch Flussmittelkern. In mehrseeligen Lötdrähten ist das Flussmittel in drei bis fünf Kammern aufgeteilt. Dies soll das Flussmittel schneller an die Lötstelle transportieren und einen konstanten Flussmittelgehalt im Draht gewährleisten. Optimaler Drahtdurchmesser Die Wahl des passenden Drahtdurchmessers ist abhängig vom erforderlichen Lotvolumen der Lötstelle und somit auch von der Bauteilgröße. Mit der fortschreitenden Miniaturisierung in der Elektronikfertigung werden auch Lötdrähte mit feineren Durchmessern erforderlich. War in den 90ern noch ein Lötdraht mit einem Durchmesser von 1 bis 1,5 mm auf jedem Rework-Arbeitsplatz zu finden, sind heute eher die Durchmesser 0,5...1 mm die Regel. Gängige Drahtdurchmesser für SMDs sind 0,15...0,5 mm und für THT-Bauteile 0,5...1 mm sowie zur Kabelkonfektion 0,75...1,5 mm. Gemäß Drahtstärke und Bauteilabmessung sollte auch die passende Lötkolbenspitze ausgewählt werden. Von bleistiftspitz bis zu Meißelspitzen mit 20 mm Breite ist alles verfügbar! Aber: Zu klein gewählt, verlängert sich die Lötzeit und ist somit nicht ökonomisch. Zu groß gewählt, verstellt sie den Blick auf die Lötstelle oder erhitzt sogar benachbarte Kontakte. Schematische Darstellung ein- und mehrseeliger Lötdrähte 4/2022 87
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