Kommunikation Neuer Kommunikationsstandard für das Krankenhaus Der neue Gerätekommunikationsstandard IEEE 11073 SDC hält Einzug im Krankenhaus 4.0. Warum bietet dies gerade für kleine und mittlere Medizingerätehersteller einen großen Vorteil? Bild 1: Messestand des OR.Net e.V. mit zwei Funktionsmustern einer Chirurgie-Arbeitsstation auf Basis des SDC Standards unter Zusammenwirken verschiedenster Medizingerätehersteller RWTH Aachen www.meditec.hia.rwth-aachen.de Im Gesundheitswesen findet seit geraumer Zeit ein Paradigmenwechsel statt - weg von Insellösungen hin zu standardisierten, offen vernetzten Lösungen. So sind Integration und Vernetzung im Bereich der medizinischen IT und dem Operationssaal bereits seit Jahren ein großes Thema. Das BMBF-Leuchtturmprojekt OR.NET (Laufzeit: 2012 - 2016) hat erstmals die wissenschaftlichen und technischen Grundlagen für eine herstellerunabhängige Interoperabilität von vernetzten Medizingeräten im OP gelegt und damit für ein Aufbrechen des Marktes in diesem Bereich gesorgt. Aus dem OR.NET Projekt heraus wurde die IEEE 11073 SDC (Service-oriented Device Connectivity) Normenfamilie entwickelt und schließlich Ende 2018 international final standardisiert. Der OR.NET e.V. setzt genau hier an, indem er einen offenen Kommunikationsstandard schafft und etabliert, etwa mit seinen Projekten Pri- Med, PoCSpec und MoVE. Neben den technischen Entwicklungen werden hier auch die weiterführenden Aspekte der zukünftigen modularen Zulassung als Medizinprodukt in dem Zusammen hang sowie dem Aufbau von Testzentren, der Betriebstauglichkeit im Alltag eines Krankenhauses und der internationalen Standardisierung berücksichtigt. Koordiniert werden sämtliche Aktivitäten mittlerweile im OR.NET e.V. (www. ornet.org). Gesamtheitliche Infrastruktur Die steigende Zahl von computergestützten Geräten und Instrumenten sowie IT-Lösungen führt schon seit einiger Zeit zu dem Bedarf, medizintechnische Systeme und Software in eine gesamtheitliche Infrastruktur in Operationssaal und Klinik zu integrieren. Die große Vielfalt der Geräte und der mit diesen einhergehenden Informationen kann im Rahmen der IEEE 11073 SDC Entwicklungen zukünftig durch eine dynamische („Plug-and-Play“) und offene Vernetzung zu neuen und innovativen Funktionen integriert werden. Übergeordnetes Ziel dieser Entwicklungen für die Medizin ist die Verbesserung der Qualität und Sicherheit in OP und angrenzenden Klinikschnittstellen. Drei SDC Teilstandards Nach Fertigstellung der drei SDC Teilstandards bei der IEEE bzw. ISO (ISO/IEEE 11073-20702, ISO/IEEE 11073-10207, IEEE 11073-20701) gegen Ende 2018 können die Hersteller nun bereits die neuen SDC Schnittstellen implementieren. Dies bietet erstmals eine große Chance für kleine und mittlere Unternehmen, sich in den Markt der integrierten OP- Komplettlösungen einzubringen, denn es verringert ihre Abhängigkeit von den derzeit führenden Herstellern proprietärer integrierter OP-Systeme. Insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen der Medizintechnikbranche, die immerhin rund 95 Prozent des Marktes in Deutschland ausmachen, war es bislang kaum möglich, sich in die proprietären OP-Komplett systeme zu integrieren. Die finanziellen Hürden sind 174 meditronic-journal 5/2019
Kommunikation Bild 2: Prof. Clusmann (Chefarzt der Neurochirurgie am Uniklinikum Aachen) zeigt die mobile Bedienung der chirurgischen Arbeitsstation im OP hier häufig zu hoch für kleine und mittelständische Unternehmen. Mit dem offenen und herstellerunabhängigen SDC Standard eröffnet sich somit gerade für KMUs der Weg in den vernetzten OP sowie die zukünftig mehr und mehr vernetzten Kliniken. Wachsendes Angebot Das wachsende Angebot SDC basierter Geräte gibt umgekehrt den Klinikbetreibern und Anwendern mehr Freiheiten und Flexibilität bei der Wahl ihrer bevorzugten Produkte. Klinikbetreiber formulieren diesen Anspruch an eine zukünftig offene Vernetzungsmöglichkeit der Medizingeräte und IT-Systeme über SDC derzeit schon sehr offensiv in ihren aktuellen Ausschreibungen für neue OP-Säle. Der OR.NET e.V. (bzw. verschiedene Mitglieder) bietet aktuell einen Service (z. B. Beratung und Implementierung) für die Hersteller bei der Anpassung ihrer Produkte hinsichtlich einer SDC Schnittstelle an. Auf der Medica 2018 wurden schon erste pre-series Produkte mit dem neuen Standard vorgestellt und Medizingerätehersteller betreiben bereits jetzt gezielt ausgewählte OP-Säle in Europa sowie auf der ganzen Welt mit ersten zugelassenen SDC Konnektoren. Noch in 2019 werden voraussichtlich die ersten SDC zugelassenen Medizingeräte (mit integrierter Schnittstelle) auf den Markt kommen. Für diesen offenen und dynamischen Ansatz nach IEEE 11073 SDC Kommunikationsstandard, der insbesondere KMUs als auch Betreibern und klinischen Anwendern sowie schließlich den Anwendern und Patienten zu Gute kommt, werden aktuell national und international zudem u.a. Zulassungsstrategien, Risikoanalysemethoden und Testtools (für Betreiber und Hersteller) in Zusammenarbeit mit Benannten Stellen und der FDA entwickelt. Klinische Anwender Offene Vernetzung Die Vorteile für eine offene Vernetzung in OP und Klinik sind aus Anwendersicht daher sehr einleuchtend. Beispielsweise stehen Untersuchungsergebnisse, Patienten- und Gerätedaten den Verantwortlichen zukünftig jederzeit und unmittelbar zur Verfügung. Daten können in naher Zukunft von zentralen Arbeitsstationen (u. a. auch mobil mit einer Tabletoder Smartphone-Variante) eingesehen werden und gehen nicht verloren. Dank Geräteintegration und Vernetzung mittels dem unabhängigen und offenen Kommunikationsstandard IEEE 11073 SDC kann mittlerweile realisiert werden, dass der Chirurg oder der Anästhesist die Geräte justiert, wie es für den jeweiligen OP-Schritt optimal ist. Die Gerätesteuerung per multidisziplinärer und offen vernetzter Workstation erlaubt es die Gerätesteuerung wieder in die Hände derer zu legen, die eigentlich dafür ausgebildet sind. Dieser Bedarf ist, durch die in allen Bereichen unseres Alltags fortschreitende Technisierung, längst bei den Medizinern angekommen. Hier ist man sich bewusst, dass die Medizintechnik im Gegensatz zu anderen Branchen bisher noch weit zurücklag, insbesondere in den Bereichen Digitalisierung und Interoperabilität. Dementsprechend formulieren Anwender und Klinikbetreiber ihren Bedarf mittlerweile wesentlich offensiver. Einfach und sicher Die Medizintechnik muss einfach und sicher bedienbar sein und den OP-Prozess unterstützen und nicht behindern. Die erforderlichen Daten sollen zu jeder Zeit Für den klinischen Anwender ist selbst einfachste Dokumentation und Datenkommunikation ein Gewinn: Zum Beispiel das Darstellen und Rückführen von Patientendaten und Vitaldaten zwischen den Gräten im OP und dem Klinischen Informationssystem oder das Verstellen von Gerätepara metern aus dem sterilen Bereich oder das Einblenden von Navigationsdaten in das OP-Mikroskop. Diese Anforderungen klingen sehr einfach, sind jedoch häufig ohne herstellerübergreifende Gerätekommunikation eine Hürde. meditronic-journal 5/2019 175
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