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5-2020

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Fachzeitschrift für Medizintechnik-Produktion, Entwicklung, Distribution und Qualitätsmanagement

Aus Forschung und

Aus Forschung und Technik Bild 6: Videorouting Bild 7: Anästhesie-Protokoll hen Operationen mit Unterstützung der Workstation abarbeiten. Im Vorfeld werden je nach Ablauforganisation die Siebe einzeln oder als Fallwagen bestellt und übernommen. Der Instrumentier-Tisch wird gemäß Rüstanweisung für die bevorstehende OP vorbereitet und alle weiteren Materialien (Prothesen, Nahtmaterial, etc.) ebenfalls im OP vorbereitet. Die Pflege kann dabei eine ToDo-Liste (Bild 4) abarbeiten oder auch einzelne Aufgaben an andere Personen weiterreichen, zum Beispiel dem Transportdienst den Auftrag für ein weiteres Sieb erteilen. Diese interdisziplinäre non-verbale Kommunikation erspart etliche Telefonate, generiert eine hohe Transparenz der Abläufe, die von allen Beteiligten gut zu erfassen sind und ermöglicht erstmalig eine Möglichkeit der umfassenden Dokumentation der Abläufe. Funktionsgruppen Die chirurgische Arbeitsstation bündelt alle Informationen, der zur Operation verwendeten Geräte und ermöglicht ein zentrales Bedienen aus dem sterilen Bereich heraus. Der Chirurg kann sich entsprechend seiner geplanten OP-Schritte die Gerätezusammenstellung sowie der Presets der Geräte voreinstellen. Die einzelnen Funktionen der Geräte für jeden Schritt seiner Operation werden in sogenannten Funktionsgruppen zusammengestellt. So hat er die Möglichkeit sich für das Eröffnen des Patienten eigene Funktionsgruppen anzulegen (Bild 5), die den Arbeitsabläufen angepasst ist: Häufiger Einsatz des HF-Gerätes sowie Einstellungen und Änderungen des OP-Tisches und seiner Lage. Später im Prozess, für beispielsweise das Bergen eines Tumors mit Bergebeutel und Morcellation, werden andere Geräte notwendig. Diese können beispielsweise als Funktionsgruppe „Tumorbergen“ abgespeichert werden. Bei Eintritt in diesen OP-Schritt braucht der Chirurg beispielsweise „nur“ noch in die entsprechende Funktionsgruppe mit einer Wischgeste zu wechseln. Das erlaubt erstmalig eine Unterstützung für den Operateur in jedem einzelnen OP-Schritt. Neben dieser sehr eindrucksvollen direkten Unterstützung gibt es jedoch auch indirekte Unterstützung. Im Rahmen des PriMed-Projektes wurde ein Videoswitch SDC-fähig integriert. Dieser ermöglicht nun von der Chirurgie-Arbeitsstation aus das zentrale Verteilen der Videosignale auf die gewünschten Monitore im OP. So können im direkten Blickfeld des Operateurs und seinem Team neben dem In-Situ-Bild z. B. alle Laborergebnisse oder diagnostischen Bilder abgerufen werden. So kann der Operateur mit allen relevanten Information versorgt und damit entlastet werden. Zusätzliche Sprachsteuerung Weiterhin wird unter Berücksichtigung einer ergonomischen und gebrauchstauglichen Mensch- Maschine-Interaktion, auf alternative Eingabemöglichkeiten gesetzt. Anstelle einer Touch-Bedienung (Zentraldisplay, Tablet, Smartphone) kann zudem eine Sprachsteuerung verwendet werden. Diese Eingabemöglichkeit muss jedoch für spezielle Anwendungsszenarien risiko analytisch betrachtet, optimiert und umgesetzt werden. Ein Anwendungsszenario für eine Sprachsteuerung ist hier beispielsweise das Videorouting (Bild 6) während einer OP sowie eine Funktionszuordnung zu verschiedenen Schaltelement an einem Universalfußschalter. Dabei sorgt hier eine dynamische Belegung dafür, dass nur ein Fußschalter im OP benötigt wird, da mehrere Geräte (z. B. HF-Gerät, C-Bogen, Bohrer, OP-Tisch) mit nur einem Fußschalter gesteuert werden können. Dies verhindert Verzögerungen durch nicht gefundene bzw. von einem OP-Tritt fallende Fußschalter. Unterstützung der Anästhesie Für die Anästhesie wurden analog zur chirurgischen Pflege in der Workstation verschiedene Möglichkeiten der Unterstützung der Abläufe entwickelt. Die Anästhesie-Pflege erhält ein Scansystem zur digitalen Erfassung aller Medikamente und Materialien. Das Scansystem wird so organisiert, dass sich der Scanvorgang in die einzelnen Arbeitsschritte integrieren lässt. Die so erfassten Medikamente werden vor dem Applizieren erfasst und werden zum Beispiel den Spritzenpumpen zugeordnet. Die digitale Erfassung erlaubt neben der guten Übersicht und Kontrollmöglichkeit auch erstmalig eine detaillierte Dokumentation. Die Entwicklung eines digitalen Anästhesieprotokolls (Bild 7) wird durch die Vernetzung aller Geräte und Erfassung der Medikamente ermöglicht. Das automatisierte Anästhesieprotokoll entlastet den Anästhesisten erheblich und schafft Freiräume, die nun wieder dem Patienten zur Verfügung stehen. Die digitale und fortlaufende Dokumentation erhöht die Sicherheit in der Behandlung des Patienten und reduziert Fehlerquellen, zum Beispiel bei der Übergabe des Patienten in den Aufwachraum. Neben der automatisierten 12 meditronic-journal 5/2020

Aus Forschung und Technik Protokollierung wird die Anästhesie-Workstation mit intelligenten „Helfer“-Funktionen den Anästhesisten aktiv unterstützen (Bild 8). Die „Glühbirne“ ist eine Funktion für die Entscheidungsunterstützung, welche Hinweise auf bevorstehende Konflikte liefert, so dass der Arzt bereits im Vorfeld aktiv werden kann. meditronic-journal 5/2020 Standardisierung D i e N o r m e n f a m i l i e ISO/IEEE 11073 Service-oriented Device Connectivity (SDC) ermöglicht erstmals eine herstellerübergreifende Interoperabilität zwischen Medizingeräten im Krankenhaus. Die letzte der drei Kernnormen (IEEE 11073-20702, -10207 und -20701) wurde 2019 verabschiedet. Inzwischen sind sie komplett von der ISO anerkannt. Die Kernnormen bilden das technische Kommunikationsprotokoll. Zusammen mit der den Nomenklaturen der IEEE 11073-1010x-Serie ermöglichen sie einen semantisch interoperablen Austausch von Informationen, Alarmen und Steuerbefehlen über Herstellergrenzen hinweg. Aktuell befinden sich weitere Normen in der Entwicklung. Die sogenannten Participant Key Purpose Normen (IEEE 11073-10700 bis -10703) sind in großen Teilen prozessorientiert und haben einen starken Fokus auf die Verantwortlichkeiten der einzelnen Vernetzungsteilnehmer und das Risikomanagement. Die Systemfunktionalität eines Systems aus mehreren Vernetzungsteilnehmern wird in die Beiträge der einzelnen Geräte zur Systemfunktionalität zerlegt. Entsprechend der verschiedenen eingenommenen Rollen – Bereitsteller oder Konsument von Informationen/Alarmen/Fernsteuerungsfunktionen – wird die Einhaltung der geforderten Anforderungen zugesichert. Auf diese Zusicherungen können sich die Netzwerkteilnehmer gegenseitig verlassen. So wird ein sicherer, vernetzter Betrieb gewährleisten, ohne dass die Gerätekombinationen im Vorfeld bekannt sind. Im BMWi-geförderten Projekt PoCSpec werden darüber hinaus aktuell Normen entwickelt, die sich speziell mit der Modellierung und den Anforderungen für bestimmte Ereignisbuttons Die neben der „Glühbirne“ befindlichen Zahlen stellen Ereignisbuttons dar. Der Ereignisbutton „1“ beschreibt den normalen Ablauf, „2“ und „3“ hingegen werden genutzt, wenn unvorhergesehene Ereignisse den OP-Ablauf beeinflussen. Für den oben beschriebenen Moment Geräteklassen in einem SDC- Netzwerk beschäftigen. Derzeit wird an HF-Geräten, endoskopischen Kameras und Lichtquellen, Insufflatoren und Saug-/Spülpumpen gearbeitet. SDC steht nicht in Konkurrenz zu etablierten bzw. aufstrebenden Standards wie HL7 v2, HL7 FHIR (Fast Healthcare Interoperability Resources) oder DICOM (Digital Imaging and Communications in Medicine). SDC schließt die bisher bestehende Lücke für die Geräte-zu-Geräte-Kommunikation. Insbesondere in der Kombination von SDC mit dem ebenfalls neuen HL7 FHIR-Standard besteht damit erstmals das Potential für einen lückenlosen Informationsaustausch zwischen den Medizingeräten untereinander und mit den klinischen Informationssystemen, ohne dass semantische und kontextuelle Informationen verloren gehen. einer Perforation einer Arterie wird der Ereignisbutton 3 gedrückt und aus der Auswahl an Ereignissen der entsprechende Eintrag „Blutung“ ausgewählt. Dieses triggert im Hintergrund weitere Abläufe. Wenn hinterlegt, kann sofort die Blutbank alarmiert werden, sodass unverzüglich Blut gekreuzt wird und der Transportdienst aktiviert wird, um Bild 8: Graphische Bedienoberfläche der Anästhesie Arbeitsstation (optimiert für 16:9 Desktopvariante) die Konserven in den Saal zu bringen. Das OP-Management erhält auf seiner Workstation eine Mitteilung und kann anhand der Meldung einschätzen, wie sich die nachfolgenden Operationen zeitlich und personell verändern werden und entsprechend handeln. Auch werden ggfs. weitere Instrumente/Siebe oder Geräte (z. B. Herz-Lungen-Maschine) notwendig. Diese können angefordert bzw. der nächste Lagerplatz ermittelt werden. Gleichzeitig wird das entsprechende Sieb aus der Lagerverwaltung ausgebucht und für das OP- Management steht die Information zur Planung zur Verfügung. Was in manchen Fällen ein Absetzen der nachfolgenden Operation nach sich zieht, weil das Sieb nicht länger für die Operation zur Verfügung steht, da der Aufbereitungsprozess lange dauert. Danksagung Die vorgestellten Arbeiten werden aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) (PriMed Projekt) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) (PoCSpec Projekt) gefördert. ◄ OR.NET e.V. Die 50 Projektpartner und über 50 assoziierten Partner aus ganz Deutschland bildeten von 2012-2016 bereits ein interdisziplinäres Konsortium im BMBF geförderten Leuchtturmprojekt OR.NET. Die Arbeiten des OR.NET Projektes werden seit 2016 im gemeinnützigen Verein OR.NET e.V. mit aktuell mehr als 50 Mitgliedern (aus klinischen Anwendern, Betreibern, Wissenschaftlern, Herstellern und Standardisierungsorganisationen) weitergeführt. Weitere Informationen über die OR.NET e.V. Vereinsaktivitäten, Ergebnisse und aktuelle Termine stehen unter www.ornet.org zur Verfügung. Das Konsortium hofft, dass in Zukunft weitere Anbieter ihre Geräte nach dem OR.NET Ansatz einbinden und auf den ISO/IEEE 11073 SDC Standard setzen. 13

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