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6-2017

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Fachzeitschrift für Hochfrequenz- und Mikrowellentechnik

Praxis Transparente

Praxis Transparente Berechnung einer Leitung mit Reflexionen Dieser Artikel führt in die Leitungstheorie ein und beschreibt eine äußerst zuverlässige und transparente Methode der Leitungsberechnung, die universell anwendbar ist. Mikroprozessoren und digitale Logikbausteine arbeiten heute mit hohen Frequenzen, sodass die Übertragung der Signale über HF-Leitungen erfolgt. Dabei gelten die selben Gesetze wie bei der Übertragung analoger Signale. Würde man bei den heutigen schnellen digitalen Signalen nicht HF-Leitungen einsetzen, so käme es zu Verzerrungen, und die kurzen Anstiegsund Abfallzeiten könnten nicht aufrechterhalten werden. Diese Entwicklung macht es notwendig, nicht nur HF-Techniker, sondern auch Entwickler schneller digitaler Baugruppen näher mit der Leitungstheorie vertraut zu machen. Quelle: Reflecting On Transmission Line Effects Motorola Application Note AN1061 frei übersetzt von FS Bild 1: Ersatzschaltung einer HF-Leitung an einer Quelle mit dem Innenwiderstand Z S HF-Leitungen Eine HF-Leitung unterscheidet sich von einer anderen Leitung durch ihren homogenen Aufbau (an jeder Stelle hat ein Querschnitt das gleiche Bild) und ihre relative Verlustarmut, gesichert durch robuste Leiterquerschnitte und verlustarmes Dielektrikum. Auf den ersten Blick erscheint dies eher trivial, aber beim näheren Hinschauen kann man eine ganze Menge interessanter und vielleicht unvermuteter physikalischer Nuancen entdecken, die eine HF-Leitung zum bevorzugten Objekt einer näheren Beschreibung werden lassen. Dazu gehört z.B. die Tatsache, dass solche Leitungen Energiespeicher sind. Gibt man also Leistung in eine offene oder kurzgeschlossene Leitung und schaltet dann die Quelle ab, so verbleibt theoretisch die elektrische Energie in der Leitung. Da diese auch Verluste aufweist (etwa durch den Skin Effect), wird die elektrische Energie schnell in Wärme umgewandelt. In den folgenden Betrachtungen soll die Leitung als verlustfrei angenommen werden. Dies ist auch in vielen praktischen Fällen möglich. Bild 1 zeigt die Ersatzschaltung einer homogenen Leitung. Aus der Induktivität und der Kapazität innerhalb eines beliebigen Bild 2: Koaxiale Leitung mit Quelle und Last Abschnitts der Leitung errechnet sich Zo, die sogenannte characteristische Impedanz oder besser der Wellenwiderstand. Da Induktivität und Kapazität gleichermaßen mit der Leitungslänge wachsen und Z 0 = Wurzel aus (L s /C p ) gilt, ist Z 0 unabhängig von der Leitungslänge. Z 0 ist als rein ohmscher Widerstand anzusehen, der aber keine Wärme produziert. Z 0 ist von grundlegender Bedeutung für die Berechnung der Spannungen und Ströme auf einer Leitung. Weiterhin wird die Leerlaufspannung der Quelle, deren Innenwiderstand, die elektrische Leitungslänge und der Lastwiderstand benötigt. Von der Dämpfung soll ja hier abgesehen werden. Reflexionen und Reflexionskoeffizient Eine Reflexion entsteht am Ende einer Leitung immer dann, wenn die Lastimpedanz nicht mit Z 0 übereinstimmt. Wenn die Lastimpedanz mit Z 0 übereinstimmt, wird alle ankommende Leistung von der Last aufgenommen. Es gibt keine Reflexion an der Last. Wenn der Quellwiderstand mit Z 0 übereinstimmt, wird eventuelle reflektierte Leistung von der Quelle komplett wieder aufgenommen. Es gibt keine Reflexion an der Quelle. Wenn der Quellwiderstand nicht mit Z 0 übereinstimmt, wird an der Quelle Leistung reflektiert. In diesem Fall kommt es theoretisch zu einem unendlich lange andauernden Hin und Her auf der Leitung. Diese Prinzipien bzw. Grundsätze für Reflexion sind der Kern der folgenden Darlegungen. Mit Blick auf digitale Signale sei eine Impulsübertragung zugrundegelegt. Der Impuls kann gemäß Bild 2 durch Einschalten einer Gleichspannungsquelle erzeugt werden. Dabei beschreibt der Reflexionskoeffizient das Verhältnis von abgegebener zu reflektierter Leistung und informiert über die Phasenbeziehung zwischen Spannung und zugehörigem Strom. Der in die Last gelieferte Strom ist I L = I hin - I rück , die an der Last liegende Spannung ist V L = V hin + V rück (hin für hinlaufende Größe, rück für an der Last reflektierte Größe). Die Verhältnisse von hinlaufender und rücklaufender Größe sind gleich, da Strom und Spannung über den Wellenwiderstand verknüpft sind. Auf dem Wege zu einer Information über das Verhältnis dieser Größen, also zum Reflexionskoeffizienten, kann man die Ansätze zu I L = (V hin - V rück )/Z 0 zusammenführen. Es gilt weiter: (V hin + V rück )/Z L = (V hin - V rück )/Z 0 Die Auflösung nach V hin /V rück : Z 0 (V hin + V rück ) = Z L (V hin - V rück ) V rück (Z 0 + Z L ) = V hin (Z L - Z 0 ) V hin /V rück = (Z L - Z 0 )/(Z L + Z 0 ) Das ist der Reflexionskoeffizient an der Lastseite (Load Reflection Coefficient). Sinngemäß lässt sich für die Quelle ein Reflexi- 22 hf-praxis 6/2017

Praxis Bild 3: HF-Leitung mit Z L = 4 x Z 0 und Z S = Z 0 Bild 4: Spannung am Eingang der Leitung onskoeffizient definieren (Source Reflection Coefficient). An die Stelle von Z L tritt dabei Z S : V rück /V hin = (Z S - Z 0 )/(Z S + Z 0 ) Jeweils gibt es drei Fälle, die einer näheren Inspektion bedürfen. Zunächst die Situation, wo der Lastwiderstand gleich Zo ist, dann ist dort der Reflexionskoeffizient 0. Alle ankommende Leistung geht in die Last. Dann der Fall, wo der Außenwiderstand größer (kleiner) als Zo ist. Dann ist der Reflexionskoeffizient positiv (negativ), und wenn das an der Lastseite der Fall ist, wird dort reflektiert. Ist es zudem auch noch an der Quelle der Fall, wird auch dort reflektiert. Was unterscheidet nun die letzten beiden Fälle? Angenommen sei Z L = 4 x Z 0 und Z S = Z 0 , wie in Bild 3 skizziert. Der Reflexionsfaktor an der Quelle ist also 0. Der Reflexionsfaktor an der Last berechnet sich, auch ohne dass man die absoluten Größen kennt, zu V hin /V rück = (Z L - Z 0 )/(Z L + Z 0 ) V hin /V rück = (4 - 1)/(4 + 1) = 0,6 Im Einschaltmoment t = 0 erfolgt an der Quelle eine 1:1-Spannungsteilung, das Kabel ist mit seinem Wellenwiderstand leistungsangepasst und nimmt die dem Generator maximal entnehmbare Leistung auf. V S ist 0,5 x V. Die Welle durchquert die Leitung und erreicht Z L entsprechend der Ausbreitungsgeschwindigkeit (Propagation Delay) auf der Leitung später. Wegen der Fehlanpassung kann sie nicht vollständig austreten, sodass ein Anteil der Größe V S x 0,6 reflektiert wird. Die Spannung an der Last beträgt nun V S + V S x 0,6. Der reflektierte Anteil erreicht die Quelle nach Rücklauf auf der Leitung. Auch hier tritt nun die Spannung V S + V S x 0,6 auf. Dies ist in Bild 4 skizziert. Da Quelle und Leitung leistungsangepasst sind, erfolgt hier jedoch keine Reflexion, und die reflektierte Leistung wird von der Quelle wieder aufgenommen. Die Leitung hat ihren eingeschwungenen Zustand erreicht. Nun aber zum Szenario Z L < Z 0 . Angenommen sei Z L = Z 0 /4 und Z S = Z 0 , siehe Bild 5. Der Reflexionskoeffizient errechnet sich nun wie folgt: V hin /V rück = (Z L - Z 0 )/(Z L + Z 0 ) V hin /V rück = (1/4 - 1)/(1/4 + 1) = -0,6 Am Anfang ist der Ablauf wie gehabt. Mit Eintreffen der Welle an der Last entsteht nun aber dort die Spannung V S + -0,6 x V S . Die Gesamtspannung ist also kleiner als V S . Der reflektierte Anteil ist in der Polarität umgekehrt. (Im HF-Bereich spricht man von einem Phasensprung.) Später erreicht die reflektierte Spannung die Quelle und wird von dieser aufgenommen. Die dort zu messende Spannung verkleinert sich (Bild 6). An dieser Stelle sei noch einmal die Formel V L = V hin + V rück bemüht. Man kann sehen, dass diese ihre Gültigkeit behält, auch wenn die Spannung an der Last zurückgegangen ist. Ein positiver Reflexionsfaktor bedeutet also eine gegenüber V hin größere Spannung an der Last, ein negativer eine kleinere. Das Lattice Diagramm Mithilfe dieses Diagramms lässt sich die Spannung an Quelle und Last einer beliebig beschalteten Leitung errechnen. Der Begriff Lattice ist der Form des Diagramms entlehnt, das wie ein Gitter wirkt. Zwei vertikale Linien kennzeichnen die beiden Seiten der Leitung (Quelle und Last). Die Linien dazwischen symbolisieren die Wellenanteile auf der Leitung. Sie sind gewissermaßen tpd lang. Eingetragen werden üblicherweise Spannungswerte. Bild 7 will die Anwendung verdeutlichen. Man beginnt mit der hinlaufenden Welle (hier V L genannt). Ihr Wert wird mithilfe der Spannungsteilerregel errechnet. Den Spannungsteiler bilden Z S und Z 0 . Die Höhe und Polarität eventueller reflektierter Anteile bestimmt dann der zuständige Reflexionskoeffizient. Sie nehmen ständig ab und überlagern sich einander. Kommt es zur Hin- und Herreflexion, kann man theoretisch unendlich lange rechnen, wird aber dann abbrechen, wenn die Bild 5: HF-Leitung mit Z L = Z 0 /4 und Z S = Z 0 Bild 6: Spannung am Eingang der Leitung hf-praxis 6/2017 23

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