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Editorial Dr. Gunther Kegel, Sprecher der Geschäftsleitung Automatisierung 4.0? Wird die anstehende Digitalisierung unsere industrielle Welt wirklich schnell, schonungslos und nachhaltig verändern? Erzeugen die neuen Konzepte wirklich einen derart klar zu beziffernden Kundennutzen, dass die Anwender bereitwillig die Einführungsprobleme und anfänglichen Effizienz- und Sicherheitsverluste in Kauf nehmen? Letztendlich ist nicht die neue Technologie entscheidend, sondern vor allem der Kundennutzen, den sie zu erzeugen in der Lage ist. Die Automatisierer trifft die Digitalisierung dabei sprichwörtlich mitten ins Herz. Die Fülle an neuen Technologien und Möglichkeiten und die Geschwindigkeit, mit der sich diese neuen, im wesentlichen S/W-getriebenen Technologien weiterentwickeln, übersteigt alles bisher Dagewesene. Die Kunst ist nun, das Richtige aus den schier endlosen Möglichkeiten auszuwählen. Dabei sind drei Leitplanken von entscheidender Bedeutung: 1) Industrie 4.0 wird nur gelingen, wenn sich alle im Rahmen der Arbeiten auf der „Plattform Industrie 4.0“ engagieren und sich zu standardisierter, offener Kommunikation innerhalb „Industrie 4.0“-konformer Netze verpflichten. Dabei kommt der Entwicklung offener Modellierungssprachen oder so genannter Ontologien eine Schlüsselrolle zu. 2) Security muss von Anfang an integraler Bestandteil der „Industrie 4.0“-konformen Kommunikation sein. Standards, die eine Reihe dieser Security-Aspekte bereits beinhalten – wie z. B. OPC UA – sind hilfreich, um möglichst schnell zu sicheren I4.0-Netzen zu kommen. 3) Das klare Herausarbeiten des Kundennutzens und die Reduktion von Einführungshindernissen und Anfangsrisiken sollten im Mittelpunkt stehen. Dabei können ausgearbeitete Anwendungsbeispiele – so genannte „use cases“ – durchaus helfen, Applikationen einzugrenzen und Machbarkeiten zu überprüfen. Letztendlich wird aber jede Anwendung für sich erneut eine Amortisationsrechnung verlangen. Industrie 4.0 zum Selbstzweck wird es in einer nutzenorientierten industriellen Welt sicher nicht geben. Berücksichtigt man diese Grundüberlegungen, reduzieren sich die Möglichkeiten bereits erheblich und die Erkenntnis beginnt zu reifen, dass nicht alles, was sich den neuen Digitalisierungsstrategien zuordnen lässt, einen im Grunde revolutionären Charakter hat. Auch wenn Innovation laut Schumpeter immer mit der zerstörerischen Kraft des Neuen das Alte überflüssig machen sollte, zeigt sich die Realität weniger revolutionär, weniger „gnadenlos“. Viele unserer Innovationen erleben eine jahrelange, wenn nicht Jahrzehnte andauernde Ko-Existenz mit Althergebrachtem, und nicht selten erfahren alte Lösungsansätze urplötzlich eine Renaissance. In der verfahrenstechnischen Industrie erwarteten nahezu alle Hersteller und die Mehrzahl der Anwender die vollständige Ablösung analoger Feldgeräteschnittstellen – wie z. B. 4- 20 mA – durch die aufkommenden Feldbusstandards Profibus-PA und Foundation Fieldbus. Doch die Adoptionsraten der neuen Technologien gerieten schon bald ins Stocken und heute sehen wir uns mit einer rückläufigen Akzeptanz der neuen Technik konfrontiert. Die Einführungsschwierigkeiten und die Defizite innerhalb der aufwändigeren Geräteintegration in die existierenden Leitsysteme übersteigen in vielen Fällen offensichtlich den erkennbaren Nutzen. Es ist also ratsam, die neuen digitalen Techniken vor allem zu Anfang nicht für revolutionär Neues, sondern für die Optimierung des Bestehenden zu nutzen. In dieser Optimierung liegt nicht nur ein deutlich leichter zu hebendes ökonomisches Potenzial, auch die Akzeptanz des „Internets der Dinge“ wird in der Industrie vor allem durch die Verbesserung des Existierenden erreicht. Dass sich auf den so entstehenden riesigen Mengen an Daten Geschäftsmodelle gründen lassen, scheint geradezu selbstverständlich. Und dass diese neuen Geschäftsmodelle auch revolutionäre Folgen nach sich ziehen, lässt sich in anderen gesellschaftlichen Bereichen, etwa dem Buchhandel, der Hotellerie oder der Taxi-Branche, beeindruckend beobachten. Es wäre geradezu töricht anzunehmen, dass diese durch die Digitalisierung ausgelösten Revolutionen in der Industrie ausbleiben sollten. Dabei kommt den Automatisierungsunternehmen von heute vor allem die Aufgabe zu, sich durch den Einsatz neuer, digitaler Technologien auf die stetige Optimierung des Bestehenden zu konzentrieren. Automatisierer haben schon immer Technologiesprünge benachbarter Branchen genutzt, um ihr Angebot attraktiver, moderner, kostengünstiger und ressourceneffizienter zu gestalten, und genau das wird auch die unmittelbare Zukunftsstrategie der meisten dieser Automatisierungsunternehmen sein. Dr. Gunther Kegel, Pepperl+Fuchs GmbH, www.pepperl-fuchs.com PC & Industrie 9/2016 3
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